Gladiator Alexander? – Wenn Geschichte nicht gut umgesetzt wird [Rise and Fall: Civilizations at War]

Als das amerikanische Entwicklerstudio Stainless Steel Studios im Jahr 2005 ein neues Strategiespiel mit dem Namen Rise and Fall: Civilizations at War ankündigte, entwickelte sich unter Genrefans schnell eine große Erwartungshaltung. Denn das Spiel hatte alles, was ein gutes historisches Strategiespiel haben muss: vier antike Völker, zwei große Kampagnen, massenhaft unterschiedliche Einheiten, dazu garniert mit großen Persönlichkeiten der Geschichte wie Julius Caesar und Kleopatra. Und gerade letztere sollten nicht nur passiv auftreten, sondern aktiv die Kämpfe mitgestalten! Anstatt die Einheiten aus der normalen Vogelperspektive zu steuern, konnte der Spieler in die Rolle eines Helden schlüpfen und aus der Egoperspektive sein Heer in die Schlacht führen. Gerade in Deutschland hatte die Spellforce-Serie mit diesem Spielprinzip viele Anhänger gewonnen (einer schreibt hier gerade!).

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Halb Rollenspiel – Halb Strategiespiel: Spellforce

 

Neben den ganzen Features bürgten auch Entwickler und Studio für Qualität: Gegründet von Age of Empires-Entwickler Rick Goodman brachten die Stainless Steel Studios mit Empire Earth 2001 ein relativ erfolgreiches Echtzeitstrategiespiel hervor. Es war also alles bereit für einen echten Kracher im historischen Strategiespielbereich. Bis zur Veröffentlichung im Juni 2006 stiegen Erwartungen und Hype Hand in Hand weiter an. Dabei konnte auch die Pleite des Entwicklerstudios kurz vor der Veröffentlichung wenig ändern. Fertig entwickelt einem Team des Publishers Midway erschien es dann schließlich … war alles anders als geplant. Es gab viele Kritikpunkte, technisch und spielerisch, dazu hielten sich auch die Verkaufszahlen in Grenzen. Lediglich in Großbritannien erzielte man gute Werte. Gut zwei Jahre nach dem Release veröffentlichte man das Spiel schließlich als “Free-to-Play”-Variante (wer es gerne selber spielen möchte guckt hier vorbei [Downloadlink von der Seite www.4Players.de]).

Rise and Fall ist aber nicht das einzige Beispiel für Spiele, welche eigentlich alle Elemente eines guten historischen Strategiespiels besitzen, aber dennoch nicht zu dem Erfolg werden, den sich Spieler und Entwickler erhoffen. Stellvertretend für solche Spiele möchte ich an Rise and Fall aber einige Punkte aufzeigen, die gerade aus historischer Sicht eher geschadet, als geholfen haben könnten. Denn die Darstellung von historischen Ereignissen und Persönlichkeiten ist gerade in Rise and Fall etwas… eigenwillig. Insofern schlüpfen wir nun in die Haut von Alexander dem Großen, Kleopatra und co und schauen uns einmal an, woran das Spiel historisch gescheitert sein könnte! Viel Spass beim Lesen!

Probleme über Probleme

Der vorletzte Satz ist bewusst sehr vage formuliert. Natürlich hat es nicht nur daran gelegen, dass man sich hier für eine merkwürdige Darstellung von historischen Elementen entschieden hat. Wahrscheinlich spielt dieser Punkt sogar eine eher untergeordnete Rolle. Denn es gab auch haufenweise technische und spielerische Mängel, die ich hier nur einmal kurz erwähnen möchte. Der wohl schwerwiegendste Mangel war die fehlerhafte Wegfindung. Einheiten blieben sehr oft an unsichtbaren Kanten von Mauern hängen oder bildeten unmöglich zu steuernde Klumpen. Die vom Spiel fokussierten Massenschlachten endeten meistens eher im Chaos. Generell gab es taktisch sehr wenig Möglichkeiten, seine Soldaten in die Schlacht zu schicken. Dasselbe galt dann auch für den Heldenmodus: Zwar funktionierte der Perspektivenwechsel und das Steuern des Helden sehr gut, doch waren die Möglichkeiten auch hier begrenzt. Oftmals klickte man sich wild durch Gegnerhorden, anstatt wie ein großer Feldherr seine Soldaten zu führen. Aber das sei nur kurz erwähnt, jetzt geht es zu den interessanten Punkten!

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Enge Geschichte: Solche Mauerbesteigungen können schnell im Chaos enden

Superhelden im historischen Gewand

Rise and Fall hatte also einige offensichtliche Probleme. Doch wir wollen nun einen tiefer gehenden Blick auf die Probleme werfen, die sich mit den historischen Elementen im Spiel ergeben. Und an erster Stelle sind das hier die Helden im Spiel. Aber fangen wir mit den positiven Dingen an: Das Spielprinzip, aus der Vogelperspektive in die aktive Heldenrolle zu schlüpfen, um dann am Kampfgeschehen teilzunehmen, hat sich in anderen Spielen bewährt. Die schon erwähnte Spellforce-Reihe hat es sich zum Markenzeichen gemacht. Insofern ist es per se keine schlechte Idee gewesen, dies auch in ein Echtzeitstrategiespiel mit antikem Setting einzubauen. Das erwähnte Problem entsteht jetzt dadurch, dass man sich keine neuen, eigenen Helden ausgedacht, sondern sich stattdessen historischer Personen bedient hat. Auch hier kann man nun sagen: Ist doch eine gute Idee! Alexander oder Julius Cäsar sind “große Namen” der Geschichte.

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„Macht euch Bereit!“ – So geordnet sieht Rise and Fall: Civilizations at War leider nur selten aus.

Und für jeden Spieler mit Begeisterung für historische Dinge wirkt das dann gleich um so epischer. Wer wollte nicht schon immer mal wie Alexander in seinen Feldzügen an vorderster Front mitkämpfen und die Gegner reihenweise niedermetzeln? Oder mit seinem gewaltigen Feuerbogen die Feinde bezwingen? Oder die Arenakämpfe in seiner Gefangenschaft nachspielen?

Und genau in diesen Fragen liegt das Problem an der ganzen Heldengeschichte: Es findet eine Überhöhung, ja fast schon Mystifizierung dieser historischen Personen statt. Durch den Heldenmodus bekommen sie im Spiel die Möglichkeit, fast übermenschlich mehrere Gegner auf einmal niederzuwerfen. Dabei wirken sie nicht wie die Personen, die man im Geschichtsunterricht oder wo auch immer sonst kennengelernt hat, sondern eher wie Superhelden aus dem neuesten Marvelfilm. Sicherlich muss man berücksichtigen, dass es um große Personen der Geschichte immer auch einen gewissen Grad an Glorifizierung gegeben hat. Dabei muss man ja nicht einmal im Gamingbereich weit schauen: Die Civilization-Serie basiert auf dem Ruhm dieser großen Persönlichkeiten. Nur bleiben sie dort in dieser passiven Rolle: Niemand betritt aktiv das Spielfeld und sorgt dafür, dass eine ganze gegnerische Armee zu Boden fällt. Die Anführer dienen als Repräsentanten des Staates, nicht als dessen Werkzeug. Und dadurch wirken sie glaubwürdiger, als wenn sie aktiv in das Geschehen eingreifen würden. Deutlich wird das dann, wenn man sich die Liste der Helden einmal anguckt: Neben Alexander dem Großen gibt es sieben weitere Helden, aufgeteilt auf vier Völker: Alexander und Achill für Griechenland, Kleopatra und Ramses für Ägypten, Nebukadnezar und Sargon für Persien und Julius Caesar und Germanicus Caesar für Rom. Ohne Zweifel, alles große Namen. Nur wer bitte stellt sich unter Kleopatra eine Lara Croft-ähnliche Kriegerin vor, die knapp bekleidet mit Pfeil und Bogen an vorderster Front kämpft?

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Bereit zum Kampf: Kleopatra in Rise and Fall: Civilizations at War

Auch die anderen Anführer werden in bestimmte Muster gesteckt oder mit Gimmicks versehen, so kämpft Ramses mit einer großen Schlachtaxt, während Germanicus Cäsar einen gewaltigen Kriegshammer verwendet. So groß die Leistungen der anderen Feldherrn oder Heroen auch gewesen sind, die spielerische Überhöhung wirkt für ein historisches Setting einfach unpassend. Age of Mythology ging z.B. einen ähnlich Weg, baute die übernatürlichen Kräfte und Helden aber bewusst als Teil eines mythischen Universums ein. Rise and Fall bezieht sich aber direkt auf diese historischen Persönlichkeiten und nimmt ihnen diese besondere Aura, gerade dadurch, dass sie diese als so besonders darstellt. Manchmal ist mehr halt doch weniger.

Geschichte nach Drehbuch

Ein ähnliches Problem existiert auch mit der Kampagne von Rise and Fall. Dabei ist der Ansatz auch hier nicht verkehrt: Man bedient sich des Lebenslaufs zweier historischer Personen (Alexander und Kleopatra) und bastelt daran orientiert eine mit Missionen gefüllte Kampange. Age of Empires II hat gezeigt, wie man so etwas gut umsetzen kann. Doch es gibt einen gravierenden Unterschied: Man hat bei Age of Empires II nicht versucht, das ganze durch dazu geschriebene und wie aus einem Hollywood-Film stammende Elemente zu ergänzen. Dort basierte die Kampagne über alle Missionen hinweg (mal mehr, mal weniger) auf den Lebensläufen der jeweiligen Personen. Die Machen von Rise and Fall schienen die Lebensgeschichte von Alexander oder Kleopatra aber ein wenig aufpeppen zu wollen. So beginnt Alexander nach dem Tod seines Vaters zuerst damit, in Griechenland Verbündete zu “gewinnen”, bevor er nach Kleinasien aufbricht. So weit, so gut. Doch dann geht es los: Alexander Bruder, welcher schon zuvor nach Kleinasien gereist war, hintergeht ihn nach einer Schlacht, sodass er nun als Gladiator in einer Arena kämpfen muss. Durch die dortigen Siege baut er sich jedoch wieder ein Herr auf und kann schließlich den mythischen Herkules-Bogen aus einem Tempel erobern, um sich schließlich an seinem Bruder zu rächen und die Perser zu besiegen. Puh. Wer hier mehr an Game of Thrones oder den Sandalenfilm Gladiator erinnert wird, staunt nicht verkehrt. Sicherlich kann niemand verlangen, dass man versucht den Lebenslauf möglichst 1:1 ins Spiel einzubauen (Zumal er sich generell nur schwierig rekonstruieren lässt). Aber wenn Hollywood-Vorbilder attraktiver erscheinen, als die Geschichte des eigentlichen Helden, dann läuft da etwas schief. Anstatt sich für einen “historischen” oder einen fiktiven Weg zu entscheiden, hat man sich bei Rise and Fall für beides entschieden und scheitert damit kläglich.

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Die 100 Kills sind gleich geschafft! – Alexander im Kampf mit dem Bogen.

Auch bei Kleopatra sieht es nicht “besser” aus. Dort endet eine ebenfalls von Verrat und Meuchelmorden geprägte Geschichte mit dem Tod Kleopatras, nachdem diese Octavian, welcher eigentlich noch lange herrschen sollte, im Zweikampf getötet hat. Zuvor wurde ihr Liebhaber, Mark Anton, von einem verräterischen ägyptischen Priester getötet. Und auch hier wirkt die Geschichte weder rund, noch glaubwürdig, sondern einfach nur wie eine schlechte Episode Game of Thrones mit ein paar historischen Namen.

Fazit

Ich mag Rise and Fall. Das erstmal vorweg. Gerade im Multiplayer können epische Schlachten entstehen und Grafik, Inszenierung, Sound: Alles Top! Warum habe ich mir dennoch gerade dieses Spiel heraus gesucht, um es als Negativbeispiel zu nehmen, wie man Geschichte in Videospielen schlecht umsetzt? Die Antwort habt ihr hoffentlich oben nachvollziehen können. Rise and Fall weiß nämlich selbst nicht, was es denn nun eigentlich sein möchte. Zum einen verwendet es historische Personen und deren Lebensläufe, zum anderen werden aber haufenweise Ereignisse hinzugedichtet. Am Ende hat man dann weder Fisch noch Fleisch. Alexander und co erinnern weniger an große Persönlichkeiten der Geschichte, sondern mehr an Superhelden aus dem neusten Hollywoodstreifen. Dabei bieten ihre Leben genügend interessante Ereignisse, um eine spannende Kampagne darum zu erzählen. Warum man dennoch auf relativ klischeehafte Charaktere und Geschichten zurückgegriffen hat, bleibt ein Rätsel.

Rise and Fall ist aber bei weitem nicht das einzige Spiel, welches sich nicht wirklich mit der Geschichte anfreunden kann. Um wieder zur Age of Empires-Serie zurückzukommen: Nach dem überragenden zweiten Teil folgte im dritten eine frei erdachte Geschichte um die Besiedlung Amerikas. Zwar tauchten dort einige historische Personen auf (z.B. George Washington), aber auch hier driftete die Kampagne in obskure Geheimbünde und die Suche nach dem Jungbrunnen ab. Das sorgte bei vielen Fans ebenfalls für Enttäuschung. Denn wenn man mit Geschichte wirbt, will man auch Geschichte drin haben. Und keine schlecht geschriebenen Historienromane. Was nicht heißen soll, dass Spiele generell besser sind, wenn sie sich streng an “die Geschichte” halten. Stronghold 2 mit seinen Jauchegruben und Rattenplagen lässt grüßen. Der Punkt ist, die richtige Mitte zu treffen: Geschichte als Grundlage für eine gut erzählte Kampange oder zentrale Spielelemente ist nie verkehrt. Nur sollte man nie die Punkte überschreiten, wo Authentizität für Langeweile oder kreative Freiheit für Kopfschütteln sorgt. Wenn man sich daran sowieso nicht stört, kann man mit Rise and Fall aber nichts falsch machen. Wer also mal Lust hat, sich selbst an dem Spiel zu versuchen oder noch ein gutes Spiel für die nächste LAN-Party (sofern es noch welche gibt) sucht, scrollt wieder nach oben und lädt es sich kostenlos runter! Viel Spass beim Kämpfen!

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