Das Mittelalter
Game of Thrones ist aktuell die bekannteste Serie der Welt. Überall fiebert man den neuen Abenteuern von Jon, Daenerys und co entgegen. Wenn man sich nun nach dem Erfolg der Serie fragt, kommen sehr verschiedene Argumente: Interessante Charaktere, gute Schauspieler, epische Schlachten, teilweise auch der hohe Anteil an nackter Haut oder die expliziten Gewaltdarstellungen. Aber ein Aspekt wird meistens nicht erwähnt, auch wenn er von größter Bedeutung ist: das Setting im Mittelalter. Wobei man „Mittelalter“ hier in “ setzen sollte, denn es spielt ja nicht in der echten Welt, sondern in einer fiktiven und dem Mittelalter nachempfundenen Welt. Aber nicht nur Game of Thrones, auch andere Medien (Serie, Filme, Bücher etc.) nehmen das Mittelalter gerne als inhaltliche Vorlage: eine raue Welt, geprägt von Zwistigkeiten verschiedener Adelshäuser, die in ihrer prunkvollen Welt leben, abgeschnitten vom einfach Stadt- und Landvolk. Dazu gibt es einen stark religiösen Einfluss, welcher über dem technologischen Fortschritt steht. Dieses Bild ist natürlich sehr stark romantisiert und wohl auch in der Renaissance später bewusst so negativ dargestellt wurden, um die eigene Phase hevorzuheben. Auch in Civilization wird man natürlich auf diese Phase treffen, wobei man nicht alle Elemente in das Spiel einbringen kann. Daher soll der Fokus in diesem Artikel auch auf dem Forschungsaspekt liegen(wie überraschend!), den ich nun im Rahmen der Technologiebaumanalyse fortsetze. Wird das Mittelalter im Spiel auch als das „finstere und dunkle“ Mittelalter dargestellt, wie es in der populären Meinung verbreitet ist? Oder orientiert man sich eher an den wissenschaftlichen Forschungen und versucht, dass ganze differenziert aufzubauen? Diese Fragen und ähnliche gilt es, zu beantworten. Also rauf auf das edle Ross und ab in den Kampf!
Schwer von Begriff?
Die chronologisch erste Technologie im Mittelalter ist die Theologie und sie setzt zum einen die Philosophie, zum anderen Drama und Dichtung vorraus. Und sie bringt gleich ein Problem mit, welches sich spätestens jetzt im Mittelalter zeigt: das Erfinden verlagert sich von einer praktischen Ebene mehr und mehr zu einer theoretischen Ebene. Es werden keine Gegenstände wie das Rad erfunden, sondern eher theoretische Gebilde, wie eben die Theologie. Und das führt dann auch zu einem weiteren Problem: Der Begriff „Theologie“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Die Lehre von Gott“. Der Begriff hat also einen klaren Bezug zur Antike, wird aber erst im Mittelalter erforscht. Ganz platt formuliert könnte man sich jetzt die Frage stellen, wieso die Griechen in dieser Hinsicht vom Spiel ein wenig außen vor gelassen werden. Denn schon Platon hat in seiner Politeia versucht, Göttermythen zu untersuchen, ebenso sein Schüler Aristoteles (Was im Spiel durch Philosophie als Voraussetzung für die Theologie sehr gut gezeigt wird). Für das Spiel wäre es, historisch gesehen, also kein Problem, die Theologie als Technologie in die Antike zu legen. Aber wie auch schon bei anderen Technologien liegt die Begründung hier wohl nicht darin, wann eine Sache zum ersten Mal „entdeckt/gebaut“ wurden, sondern wann sie in der Weltgeschichte zum ersten Mal eine wirkliche Bedeutung gehabt hatte. Wie schon erwähnt haben sich Platon und Aristoteles zwar theoretisch damit Beschäftigt, aber eine praktische Umsetzung oder gar eine Etablierung der Theologie als Wissenschaft gab es in der Antike noch nicht. Und hier kommt quasi das Mittelalter in Spiel, denn gerade die christliche Kirche ist es, die diesen Begriff stark prägte. Gegen Ende des untergehenden römischen Reiches begannen viele christliche Personen, sich wissenschaftlich mit dem Glauben auseinanderzusetzen: Wie setzt man den Glauben richtig in die Praxis um? Wie soll man Religiosität richtig darstellen? Wie sind religiöse Quellen (wie bspw. die Bibel) zu deuten? Von Gregor dem Große bis zu Thomas von Aquin gab es im Mittelalter eine Vielzahl von Theologen, die den Grundstein für die Theologie als Wissenschaft gelegt haben.

Weiterhin kam es im Mittelalter ja auch zu den ersten Universitätsgründungen und an diesen galt die theologische Fakultät meistens als „erste Fakultät“. Deshalb ist es auch nicht verkehrt, wenn man von der Theologie zum Bildungswesen, über welche im Spiel Universitäten freigeschaltet werden, kommt. Für das (europäische!) Mittelalter ist die Theologie also sehr prägend und deshalb im Mittelalter auch gut aufgehoben, wenngleich die Griechen die eigentlichen „Erfinder“ waren. Aber da das Spiel den Griechen mit der Klassik sowieso schon fast eine eigene Phase gegeben hat, können sie das wohl verkraften!
Noch schwammiger wird es dann mit der nächsten Technologie: der öffentlichen Verwaltung. Wie schon das Bauwesen in der Klassik lässt sich dieser Begriff nur schwierig als „erfindbar“ definieren. Denn: Menschen organisieren sich seit je her in Gruppen, auch nachdem man sich in Völker/“Nationen“ organisiert hat. Bereits die Babylonier kannten eine öffentliche Verwaltung, von Römern und Griechen ganz zu schweigen. Um sich diesem schwierigen Begriff daher zu nähern, sollte man darauf gucken, was genau durch ihn ermöglicht wird: Zum einen gibt es da das Weltwunder Chichen Itza, genauer gesagt die Pyramide des Kukulcán in jener Ruinenstätte.

Die wohl um das 11./12. Jhdt. n.Chr. gebaute Stufenpyramide passt zeitlich also in den Rahmen, einen größeren Bezug zur öffentlichen Verwaltung gibt es aber wohl nicht: denn die Bedeutung von Chichen Itza für die dortige Region ist kaum erforscht. Weiterhin werden Pikeniere als Einheiten freigeschaltet. Diese würden zwar historisch gesehen auch noch ins Mittelalter passen, wenn auch eher ins Spätmittelalter, aber eine wirkliche Verbindung zu öffentlicher Verwaltung gibt es nicht. Dafür ist es aber gut dargestellt, dass Pikeniere quasi aus den Reitern (der Technologie Reiterei) „entstehen“, weil sie durch ihre Pike ein guter Konter gegen Reiter waren. Hier wird das Ursache-Folge-Prinzip sehr gut ersichtlich.

Die wohl interessantesten Punkte ist dann aber die verbesserte Nahrungsproduktion für Bauernhöfe. Hiermit will man wohl auf das im Mittelalter verbreitete Feudalwesen hinweisen: als Grundlage der mittelalterlichen Gesellschaft wurde hier Untergebenen vom Landesherr ein Stück Land überlassen. Dies wurde dann bewirtschaftet, sowohl zum eigenen Erhalt, als auch für Abgaben an den Lehnsherren. Von diesem konnte man dafür Schutz und Sicherheit erwarten. So konnte die Nahrungsversorgung relativ stabil gehalten werden, was wohl den Bonus auf die Nahrung erklärt. Gleichzeitig konnte ein Landesherr seine Gefolgsleute auch zum Krieg einziehen, was einen Bezug zum Freischalten der Pikeniere darstellt. Wobei es dann merkwürdig ist, dass man hier von „öffentlicher Verwaltung“ und nicht einfach von Feudalismus spricht (wie bspw. in Civilization 4). Wie schon erwähnt ist diese Begriff zu allgemein, um ihn klar als Erfindung des Mittelalters zu präsentieren, wie es Civilization VI hier tut.
Ein wenig leichter macht es einem dann die nächste Technologie: die Gilden. Denn Gilden waren im Mittelalter ein Zusammenschluss von Kaufleuten, durch welche man die eigenen Interessen stärker durchsetzen konnte. Da es also eher wohlhabendere Menschen waren, die bei der Gründung einer Gilde aktiv waren, macht es auch Sinn, dass diese Technologie aus der Währung hervorgeht. Quasi Kapitalismus im Frühstadium. Gilden gab es wohl auch bei Handwerksbetrieben, diese wurden aber später dann eher als Zünfte bezeichnet. Die wahrscheinlich bekannteste Gilde war die Hanse, welche sich über große Teile Europas erstreckte. Da Gilden auch an die jeweiligen Gegebenheiten des Mittelalters gebunden waren, kann man sie für das Spiel als erste wirkliche klare Mittelaltertechnologie bezeichnen, die auch nicht in die Antike gepasst hätte.
Von Eisen und Metallen
Kommen wir nun zur nächsten Technologie, dem Metallguss. Hiermit ist der Prozess gemeint, aus geschmolzenem Metall Gegenstände herzustellen, indem man es in die jeweilige Form gießt. Dieses Metall wird dann Gusseisen genannt und ist ein Material, welches erst im Mittelalter aufkam. Denn man brauchte für die Produktion auch dementsprechende Öfen und die dazugehörigen Hochöfen wurden erst Anfang des 13. Jhdts. entwickelt. Wenig überraschend schaltet man über die Erforschung dieser Technologie auch die Schmiede und die Werkstatt als Gebäude frei und kann so seine Produktion verbessern. Maschinenbau und Eisenverarbeitung als Voraussetzungen für den Metallguss ergibt ebenfalls Sinn. Also nichts zu meckern? Haben Menschen vor dem Mittelalter nicht geschmiedet? Wo kommen dann die Waffen her? Oder Statuen ganz zu schweigen? Um mich nicht in Suggestivfragen zu verlieren: Metalle zu gießen ist keine Erfindung des Mittelalters, sondern bereits in der Antike gab es verschiedene Verfahren, um Bronze oder Kupfer zu gießen. Nur das man dort mit Formen arbeitete, die aus anderem Material bestanden (wie bspw. Wachs). Auch Goldmünzen sind dem aufmerksamen Leser in früheren Blogartikeln bereits aufgefallen. Das einzige, was man eben nicht gemacht hat (bzw. machen konnte), war das gießen von Eisen. Insofern ist die Platzierung des Metallgusses im Mittelalter eine zweischneidige Sache: bezieht man sich nur auf den Prozess des Gießens von Metall, würde man ihn eher in der Klassik platzieren, bezieht man sich aber eher auf das Gießen von Metall, ist er im Mittelalter gut aufgehoben. Da sich die Entwickler hier für letzteres entschieden haben, kann man davon ausgehen, dass es sich auch wirklich um das Gießen von Eisen handeln soll, auch wenn es für den normalen Spieler nicht deutlich wird. Lediglich die Eisenverarbeitung als Voraussetzung für diese Technologie ist ein kleiner Hinweis darauf. Interessanterweise gab es den Metallguss auch in Civilization IV, dort war er aber in der Antike und nicht im Mittelalter verortet.
Weiter geht es dann mit dem Kompass. Er geht aus der Optik hervor, was ja in der Bedeutung des Kompass‘ für die Seefahrt sinnvoll ist. Dazu ist aber auch die Theologie eine Voraussetzung, was aus historischer Sicht keinen wirklich Zusammenhang hat. Eher hat man hier aus spielerischer Sicht noch eine Verknüpfung eingefügt, damit man nicht direkt über die Optik ins Mittelalter kommt und quasi alle anderen Technologien der Klassik überspringen kann. Bei dem Kompass selbst ist man sich zwar nicht ganz sicher, ob ihn die Chinesen oder die Europäer erfunden haben, aber der Zeitraum ist bei beiden in etwa gleich datiert: um das 11. Jhdt. n.Chr., also mittendrin im Mittelalter.

Über die Funktion von Magnetsplittern wusste man zwar schon in der Antike Bescheid, aber ein seetüchtiger Kompass wurde erst in diesen Zeitraum entwickelt. Deshalb kann man beim Kompass von einer Technologie sprechen, die sich historisch perfekt in das Mittelalter datieren lässt.
Schwieriger wird es dagegen mit dem Bildungswesen. Im Allgemeinen versteht man darunter ja einen Begriff, der einen öffentlichen Bildungsauftrag beschreibt: eine staatliche Institution organisiert den Zugang zu Bildungsmöglichkeiten. Dem Spiel zufolge ist das jetzt eine besondere Errungenschaft des Mittelalters. Aber hier handelt es sich um wohl eine der problematischsten Platzierungen im gesamten Technologiebaum. Denn ein öffentliches Bildungswesen war in der Antike bereits weit verbreitet, und zwar weltweit um den Globus. Bereits um 4000 v.Chr. gab es im alten Ägypten Beamte, die für Bildung zuständig waren. Auch Schulen (inklusive unterschiedlicher Schulsysteme) kannte man schon. Ebenso sah es in den anderen Großreichen der Antike aus, bei den Griechen gab es sogar Diskussionen, welche Methoden denn nun die besten wären. Hier sind auch die Kulturen außerhalb Europas gemeint, von den Chinesen bis zu den Mayas. Ein Bildungswesen ist also keinesfalls eine mittelalterliche Erscheinung und deshalb unter diesem Begriff im Spiel vollkommen unplatziert. Wenn man auf die freischaltbaren Sachen schaut, kann man dort aber ein Gebäude erkennen, welches das ganze wieder in ein „richtigeres“ Licht rückt: die Universität. Denn Universitäten passen wiederum perfekt ins Mittelalter.

Wie schon bei der Theologie erwähnt, war der Einfluss der Kirche auch dabei sehr groß, war die theologische Fakultät doch immer die bedeutendste Fakultät einer jeden Universität. Daher kam es auch, dass die ersten Universitäten keine eigenständigen waren, sondern an Klosterschulen angeschlossen wurden, um die theologischen Forschungen ergänzen zu können. Was das Spiel wiederum durch die Theologie als Voraussetzung gut darstellt. Insofern ist das, was die Technologie bewirken soll, gar nicht so verkehrt im Mittelalter, wirkt durch den falschen Begriff eines „allgemeinen“ Bildungswesens aber deplatziert und unhistorisch. Hochschulwesen oder Universitätswesen wäre da die weitaus bessere Wahl gewesen. Vor allem, wenn man sie mit dem Zitat „Bildung ist die beste Vorsorge für das Alter“ besetzt, welches von dem antiken Philosophen Aristoteles stammt.
Als nächstes folgt dann die Ritterlichkeit. Auch hier handelt es sich nicht um eine wirkliche „Erfindung“, sondern eher einen Kodex, welcher irgendwann verfasst wurde. Das „irgendwann“ kann man hier auf das Hochmittelalter (11.-13. Jhdt n.Chr.) datieren, denn dort kommt das Ritterbild her, welches man auch heute noch aus zahlreichen Geschichten oder Verfilmungen kennt. Zu dieser Zeit hatte sich das Ritterwesen in ganz Europa weit verbreitet und ein Ritter sollte als Vorbild für die Gesellschaft dienen: mutig, tapfer, freundlich, aber auch zurückhaltend und demütig. Gerade der letzte Punkt, seinem Herrscher im Endeffekt doch zu dienen, war besonders wichtig. Diese Vorbildfunktion sollte auch dadurch gestärkt werden, dass Geschichten über heldenhafte Ritter im damals verbreiteten Minnesang erzählt wurden: die Bedeutung der Ritter sollte der Gesellschaft bewusst gemacht werden. Inwiefern dieses Bild jetzt wirklich so existierte, lässt sich natürlich nicht so einfach beantworten. Aber dass die Ritter und ihr Kodex im Mittelalter von großer Bedeutung waren, lässt sich nicht bestreiten.

Neben der Rolle als Krieger für seinen Herrscher, war auch die Rolle als „religiöser“ Krieger für Gott (in Bezug auf die Kreuzzüge) sehr wichtig. Daher gehen christliche und ritterliche Tugenden meistens direkt ineinander über. Auch wenn die Ritterlichkeit im Mittelalter somit ein passendes zuhause gefunden hat, sollte man noch erwähnen, dass es bereits bei den Römern den Stand der Ritter (Equites) gab. Da hier jedoch explizit auf die Ritterlichkeit verwiesen wird und diese viel mehr als nur die Existenz von Rittern beschreibt, entsteht dadurch kein großes Problem bezüglich der Historizität. Zumal man beide „Ritter“ auch nicht einfach miteinander gleichsetzen kann, dazu sind doch immer noch zu viele Jahre (oder Jahrhunderte!) dazwischen.
Alles nur geklaut?
Weiter geht es dann mit einer Technologie, die so eigentlich schon erforscht wurde: die Maschinen. Denn in der Klassik hat man bereits den Maschinenbau erforscht, also die Technologie, durch Maschinen größere und bessere Gebäude zu errichten. Wobei der Begriff da auch ein wenig unglücklich gewählt wurde, da es den Entwicklern eher darum ging, den Einsatz von Mechanik hervorzuheben. Hier soll es nun um Maschinen an sich gehen, welche in Arbeitsprozesse eingebunden diese erleichtern sollen. Aber wie genau definiert man Maschinen? Denn es gibt so viele verschiedene Maschinen, dass man eigentlich nicht sagen kann: Jetzt kennen wir sie! Einfache Maschinen gab es schon in der Antike und Maschinen als Bezeichnungsbegriff für Hilfsmittel wurde erst in der Renaissance bekannter. Vorher galt der Begriff eher in Bezug auf den Spruch Deus ex machina als Mittel zu einer Täuschung. Deshalb macht diese Technologie als solche auch wenig Sinn: jedes Zeitalter kannte seine eigenen Maschinen, von der Antike bis in die Moderne. Hätte man sich auf die Ausbreitung des Begriffs Maschine als Hilfsmittel konzentriert, wäre diese Technologie in der Renaissance besser aufgehoben. Aber so ist sie im Mittelalter ein wenig deplatziert, was aber wohl spielerische Gründe hat, denn so kann man die verschiedenen Maschinen(-Technologien) des nächsten Zeitalters (der Renaissance) vorbereiten. Um jetzt nicht so negativ zu beenden, möchte ich doch noch ein paar Maschinen des Mittelalters vorstellen: der Trittwebstuhl, das Spinnrad oder auch Papiermühle. Vielen Dank!

Ähnlich ist es auch bei der Physik: schon in vorherigen Blogeinträgen wurden erste physikalische Gesetze erwähnt. Was ist also der Grund, die Physik hier in das Mittelalter zu legen? Denn die eigentliche Entdeckung der „klassischen“ Physik geschieht erst im 16. Jhdt. durch Galileo Galilei, welcher versucht hat, physikalische Vorgänge durch Mathematik zu beschreiben. Oder einfach gesagt: die Durchführung von Experimenten. Ein Jahrhundert später begründete Isaac Newton dann die klassische Mechanik, die berühmte (aber wohl unhistorische!) Apfelgeschichte werde ich jetzt aber nicht weiter ausführen. Worauf ich hinaus will: beide Personen lebten nicht im Mittelalter! Auch ein Leonardo da Vinci (1452 – 1519) wird eher zur Renaissance als ins das Spätmittelalter gezählt. Aber nicht nur deshalb, passt die Erforschung der Physik wenig ins Mittelalter, sondern auch wegen des langen Ignorierens des Wissens aus der Antike. Verschiedene physikalische Gesetze sind bereits von antiken Wissenschaftlern beschrieben wurden (Archimedes: Heureka!), jedoch interessierte man sich im Mittelalter wenig dafür. Dieser Rückbezug auf antikes Wissen geschieht ja auch erst in der Renaissance (daher auch der Name: Wiedergeburt [antiken Wissens]), wohingegen das Mittelalter wenig für die Physik geleistet hat. Natürlich gab es auch dort Menschen, die sich mit der Physik beschäftigt haben, aber andere Zeiträume waren dafür doch wesentlich prägender. Von daher macht es historisch gesehen wenig Sinn, die Physik im Mittelalter erforschen zu lassen, aber wie schon bei den Maschinen will man im Spiel wohl den Fokus auf die zukünftigen Technologien legen: durch das Wissen über die Physik kann man im Spiel dann neue Sachen erforschen.
Zu guter Letzt kommen wir dann zum Stahl, welcher als Technologie aus dem Metallguss hervorgeht. Wobei Stahl als Technologie hier schon etwas komisch ist, denn während man im Spiel zuvor nur die eigentlichen Prozesse erforscht hat (Bronze- und Eisenverarbeitung, Metallguss), konzentriert sich das Spiel hier auf das Produkt. Dies ist ein wenig merkwürdig, da es so wirkt, als hätte man erst am Ende eines langen Prozesses Stahl produzieren können. Denn wozu erforscht man die Verarbeitung von Eisen, wenn man es dann nicht zu Stahl weiterverarbeitet? Insofern kann man es eigentlich nicht so darstellen, als wenn man erst im Mittelalter „echten“ Stahl erfunden hat. Sicherlich war der Stahl hochwertiger und durch die neuen Hochöfen besser herzustellen, als in der Antike, aber das findet sich zum einen auch schon im Metallguss, zum anderen gilt das auch für die Neuzeit gegenüber der Antike. Vor allem, weil in der Neuzeit die ersten großen Stahlfabriken eröffnet wurden. Deshalb dient der Stahl als eigene Technologie wohl ebenfalls eher dazu, den Technologiebaum im Mittelalter nicht zu leer aussehen zu lassen, als wirklich historisch korrekt zu sein.
Fazit
Wenn man sich nun einmal anschaut, welche Technologien wirklich ins Mittelalter passen und welche eher in andere Zeitalter gehören, zeigt sich ein deutliches Bild: Mit den Gilden, dem Kompass und der Ritterlichkeit sind nur 3 von 10 Technologien eindeutig dem Mittelalter zuzuordnen, die Theologie und der Metallguss sind im Mittelalter nicht falsch, aber hätten auch eher in anderen Zeitaltern vorkommen können, während die restlichen Technologien eher nicht in das Mittelalter passen bzw. früher oder später von größerer Bedeutung waren. Damit zeigt sich, dass die Entwickler offenbar das Mittelalter künstlich mit Technologien strecken mussten, um auf die üblichen 9-10 Technologien zu kommen. Was eigentlich schade ist, da man so das Bild des „dunklen“ Mittelalters weiter stützt, welches kaum eigenen „Erfindungen“ hatte. Dabei hätte man hier einiges verbessern können: Aus dem Bildungswesen einfach ein Universitätswesen machen und damit die Besonderheit der Universitätsbildung im Mittelalter hervorheben. Anstatt der öffentlichen Verwaltung hätte man direkt den Bezug zum Feudalismus herstellen und so dem Spieler den Wandel der Verwaltungsstruktur näher bringen können. Technologien wie Papier, das Bankenwesen, oder die Dreifelderwirtschaft werden hier gar nicht erwähnt (oder im Falle des Bankenwesens später).

Hätte man das anders lösen können? Die Dreifelderwirtschaft hätte man eventuell als eigene Technologie hereinbringen können und dafür aus der öffentlichen Verwaltung das Feudalwesen gemacht. Die Boni für die Nahrungsversorgung wären dann eine eigene Technologie gewesen. Stahl hätte in den Metallguss eingearbeitet werden können, um zu verdeutlichen, dass man nun Eisen besser und effektiver gießen kann. Anstatt der Maschinen hätte man ein Handwerkerwesen erforschen können, welches sich aus den Gilden entwickelt. Dort wäre es logisch gewesen, dass neue Hilfsmittel auch zu mehr Produktion geführt hätten.
Insgesamt ist das Mittelalter also eine sehr schwierige Phase in Civilization V. Man versucht zwar, sie den anderen Phasen gleichzusetzen, aber viele Technologien passen historisch gesehen hier nicht so recht hinein. Dazu bleibt der Fakt, dass man quasi 1000 Jahre in ein Zeitalter packt, während sich die nachfolgenden 5 Zeitalter gut 500 Jahre teilen. Einfach berechnet hat man (rein mengentechnisch) im Mittelalter also 1/10 dessen erforscht, was man danach erforscht hat. Und dies festigt dann doch das Bild des „finsteren Mittelalters“. Auch wenn man den Entwicklern nicht vorwerfen kann, dieses Bild absichtlich bewirken zu wollen, so kann man durchaus kritisieren, dass man sich ein wenig mehr Mühe hätte geben können. Aber das soll jetzt kein Grund sein, die Entwickler hier an den Pranger zu stellen. Das wurden die Menschen im Mittelalter schon genug!