Angela Merkel – Bundeskanzlerin, Theresa May – britische Premierministerin, Christine Lagarde – IWF-Chefin, Dilma Rousseff – ehemalige brasilianische Präsidentin, Margot Käßmann – ehemalige Ratsvorsitzende der EKD etc..: Wenn man sich heutzutage bedeutende Ämter anguckt, sowohl weltlich, als auch kirchlich, wird man dabei auch viele Frauen finden. Natürlich sind Männer immer noch in der Überzahl, aber das Verhältnis entwickelt sich langsam ausgeglichener. Geschlechter rücken als Grund für einen bestimmten Posten immer weiter in den Hintergrund und für eine Gesellschaft, die Gleichberechtigung anstrebt, ist das ein gutes Zeichen. Gut 600 Jahre vorher war das ein wenig schwieriger. Abgesehen davon, dass man schlichtweg keine Bundeskanzlerin werden konnte, weil es den Posten noch nicht gab (Welch Überraschung!), waren für Frauen meistens andere Aufgaben vorgesehen. Vor dem kurzfristigen Ausflug in die Antike vor drei Wochen hatten wir uns bereits mit dem Thema Frauen im Mittelalter in Die Gilde befasst: Dort haben wir uns vor allem auf die Frage beschränkt, welche der im Spiel vorhandenen Berufe Frauen im Spätmittelalter auch tatsächlich ausgeübt haben: Wenn man die kirchlichen Berufe (Priester, Friedhofswärter), sowie den Beruf des Gardisten ausschließt, waren dies sogar relativ viele. Gerade in den handwerklichen Berufen (Schneider!) kamen Frauen oft zum Zug, meistens als Mitarbeiterinnen, selten sogar als Meisterinnen. Aber auch Schänken, Wechselstuben oder Handelsläden waren durchaus Berufe, in welchen Frauen arbeiten konnten. Hierzu sei noch gesagt, dass dies nur für Frauen in der Stadt gilt, ihre Kolleginnen auf dem Land waren eher in die traditionelle „Mutterrolle“ gedrängt.
Hier nimmt Die Gilde also keine so große Veränderung des historischen Rollenbildes vor, wie man vermuten könnte. Anders könnte es da bei öffentlichen Ämtern aussehen: Neben der beruflichen Laufbahn ist die Ämterlaufbahn das zweite große Spielelement in der Mittelaltersimulation und da wollen wir heute einen Blick drauf werden: Welche Rollen hatten Frauen im öffentlichen Ämtern? Konnten Frauen, wie es das Spiel vorgibt, Bürgermeisterinnen werden? Und gab es sogar, wie die Schneiderei im Handwerk, eher weiblich geprägte Ämter? Dazu wollen wir noch generell schauen, ob es abseits der beiden großen Karrierelaufbahnen Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern gibt. All das wird Thema des heutigen Blogbeitrags sein, dabei wünsche ich beim Lesen wie immer viel Vergnügen!
Mehr Frauen in Führungspositionen?
Die Gilde hat (inklusive Addon) 7 verschiedene Ämterlaufbahnen, welcher Spieler erklimmen können. Das ganze System ist wie eine Pyramide aufgebaut, auf der untersten Ebene befinden sich die Stadtdiener, die Stadtschergen und die Informanten. Die mittlere Ebene teilt sich in weltliche (Stadtrat) und geistliche (kirchliche Ebene) Ämter und abschließend steht die Landesebene auf der „höchsten“ Stufe. Höchste ist hier in „“ gesetzt, weil die Reichsebene zwar höher angesiedelt ist, die Spieler dort aber nicht über Wahlen aktiv aufsteigen, sondern „nur“ berufen werden können. Zumal Papst und Kaiser dort als Oberhaupt stehen und diese Titel vom Spieler nicht errungen werden können (weder als Mann, noch als Frau). Sie orientieren sich an ihren historischen Vorbildern und diese waren (große Überraschung!) immer Männer. Der Kaiser ernennt den Reichsmarschall und den Reichskanzler, der Papst die Graue Eminenz. Auch wenn es im heiligen römischen Reich Deutscher Nation den Posten eines Reichskanzlers noch gar nicht gab (hier hat man sich wohl von Bismarck inspirieren lassen). Spielerisch gesehen stehen diese drei Posten, wie auch alle anderen, weiblichen Charakteren offen. Historisch gesehen eher weniger, denn in keiner ähnlichen Rolle finden sich zumindest Ausnahmen in Form von weiblichen Amtsträgern. Wenngleich die Suche schwierig ist, weil es den Reichskanzler in der Art gar nicht gab und auch die Graue Eminenz keine feste Instanz ist. Von der Funktion her erfüllt der Posten des Camerlengos diese Rolle wohl am besten aus und passenderweise wird er seit dem 15. Jhdt. vergeben. Aber in der Liste findet sich keine einzige Frau, die diesen Posten jemals ausgeführt hat. In Anbetracht des kirchlichen Rollenbildes ist das auch nicht überraschend. Wie schon erwähnt gab es im Mittelalter keinen Reichskanzler, dafür aber einen Reichserzkanzler. Oder genauer gesagt: drei! Den drei geistlichen Kurfürsten, den Erzbischöffen von Köln, Mainz und Trier, fielen auch weltliche Aufgaben zu. Dabei war der Aufgabenbereich aufgeteilt: Der Erzbischof von Köln sorgte sich um Italien, sein Kollege aus Trier um Burgund und der Mainzer Erzbischof schließlich um das deutsche Reich. Damit kam ihm quasi die Rolle des zweiten Mannes im Staat zu. Und mit diesem Wissen im Kopf kann sich ein jeder die Antwort denken: Nein, auch diesen Posten führte nie eine Frau. Genauso wenig wie die des Reichsmarschalls. Dieses Amt war ebenso einem Kurfürsten inne: Dem Herzog von Sachsen. Und diesem Amt war ebenso niemals eine Frau inne. Also bietet Die Gilde Frauen auf Reichsebene Möglichkeiten, die sie in echt leider nicht hatten.
Begeben wir uns nun eine Ebene tiefer auf die Landesebene, eventuell geht da ja was. Von Landesherr bis Obrist tummeln sich hier verschiedene Ämter mit großen Namen. Um keine große Rosinenpickerei zu betreiben, sortiere ich die kirchlichen Ämter gleich aus: Großinquisitorinnen und Erzbischöffinnen gab es im Mittelalter nicht.

Jetzt aber zu den interessanteren Posten: Ganz oben thront im Spiel der Landesherr. Oder die Landesherrin, sofern es eine Frau ist. Dieses Amt war im Mittelalter schon vorhanden, aber der Inhaber wurde nur selten gewählt, sondern erbte es von seinem Vorgänger. Wer Game of Thrones gesehen hat, wird wissen, wie schwierig die Suche nach dem „rechtmäßigen“ Thronfolger sein kann. Im Mittelalter wurde hier meistens das Recht der Primogenitur angewandt: Rechtsnachfolger eines Verstorbenen wird sein ältestes Kind. Der „Trick“: Kind umfasste oftmals nur die männlichen Nachkommen, weibliche wurden von Anfang an davon ausgeschlossen. Somit war es ihnen auch nicht möglich, an diesen Posten zu kommen: Sie konnten ihn nicht erben. Soviel zum üblichen Verlauf. Aber: Wo es Regeln gibt, gibt es auch Ausnahmen! Und davon gab es tatsächlich einige Beispiele. Gertrud von Babenberg erbte 1246 das Herrscherrecht über Österreich und die Steiermark (damals Ostarrichi genannt), weil ihr Onkel keine Nachkommen hatte und sie keine Brüder. Wie schon erwähnt war die Nachfolgeregelung oftmals sehr unterschiedlich geregelt und hier wurden Frauen „nur“ benachteiligt, nicht ausgeschlossen. Aus diesem Grund wurde sie 1246 zur Landesherrin ernannt, wenngleich sie bereits 5 Jahre später aufgrund einer Niederlage gegen eine Koalition aus Böhmen und Ungarn abdanken musste: Ihr Herzogtum wurde zwischen den beiden Siegern aufgeteilt. Ein anderes Beispiel, welches zeitlich auch perfekt in das Spiel passt, ist Maria von Jever. Nach einigen Konflikten mit Nachbarstaaten wandte sich Maria 1531 eigenverantwortlich an Kaiser Karl V. Und bot ihm an, ihr Herrschaftsgebiet Jever in Besitz zu nehmen (Das Herzogtum, nicht das Bier!). Karl kam dieser Bitte nach und schenkte Jever kurz darauf Maria als Lehen, womit er sie zur regierenden Landesherrin machte. Auch Maria hatte nämlich keine Brüder oder anderen (männlichen) Verwandten, denen die Herrschaft darüber hätte zufallen können. Landesherrinnen sind also nicht die Regel, aber durchaus vorhanden gewesen.
Anders sieht es bei den anderen „höfischen“ Berufen aus: Hofrat, Geheimrat oder Obrist kennen keine weiblichen Beispiele. Hier kann es aber daran liegen, dass die Forschung sich mit diesen „kleineren“ Ämtern nicht so sehr beschäftigt hat, wie mit den großen Regierungsgeschäften. Aber auch von der Rolle der Frau passt sie schlecht in das genannte Amt hinein: Der Obrist war ein Regimentschef, was sich wiederum aus mehreren Kompanien zusammensetzt. Da das Militär ähnlich offen für Frauen war, wie die Kirche wird es hier wohl auch keine Ausnahmen gegeben haben. Zwar gab es den Begriff Obristin, aber er war nur formell für Frauen des Obristen. Damit hatte sie keine aktiven Rechte, im Gegensatz zum Spiel. Der Geheimrat war ein Kollegium von verschiedenen Räten, die dem Landesherr beratend zur Seite stehen sollten. Oft wird dieser Begriff auch synonym mit dem des Hofrats verwendet, wobei dieser noch eine rechtliche Bedeutung haben konnte (im deutschen Reich bspw. als Reichshofrat, eines der beiden höchsten Gerichte). Auf jeden Fall sind für das Mittelalter keine weiblichen Amtsträger in dieser Rolle belegt, erst ab dem 18. Jhdt. findet man auch Frauen in diesen wichtigen Positionen.
Die Gilde als emanzipatorisches Spiel?
Wenn man von der Landesebene herunter geht, beziehen sich die anderen 5 Ämterkammern alle auf rein städtische Belange. Das zeigt sich auch daran, dass es hier zwei oberste Posten (ein weltliches und ein geistliches) gibt, die rein auf die Arbeit in der Stadt (und ggf. für das Umland) beschränkt sind: Bürgermeister und Bischof. Aus diesem Grund lohnt es sich hier auch nicht mehr, jeden Posten einzeln zu überprüfen, denn es gibt nicht mehr ein großes Reich, sondern eine Vielzahl von größeren Städten, die man betrachten kann. Man müsste also so viele Städte wie möglich anschauen und da die jeweiligen Ämterverteilungen auswerten: Gab es Frauen? Und wenn ja, in welchen Ämtern? Und lassen sich diese 1:1 auf Die Gilde übertragen? Das wäre eher eine Sache für eine Doktorarbeit, als für einen Blogartikel. Deshalb werde ich hier auf die generelle Stellung der Frau in städtischen Aufgaben eingehen und häufigere Ausnahmen zeigen. Dabei zeigt das Wort „Ausnahmen“ schon, worauf ich hinaus möchte: Städtische Ämter waren in der Regel für keine Frauen zugänglich. Das leitete sich (wie vieles) aus dem damaligen Rollenverständnis ab: Frauen sollten sich abseits der Arbeit (wenn überhaupt!) auch um das Haus kümmern. Somit blieb den Männern die Zeit, sich um öffentliche Aufgaben zu sorgen. So entwickelte sich ein rein von Männern geprägtes Kammersystem, in welchem es für Frauen schlichtweg keinen Zugang gab. Ein Problem, welches auch heute leider noch existent ist. Den Machern des Spiels war dies auch bewusst und sie merken es im Handbuch unter dem Punkt „Charaktergenerierung“ sogar mit folgenden Worten an:
Zu Gunsten des Spielspaßes, auch wenn dies um 1400 nicht vorstellbar war, ist es also ohne weiteres möglich, als weibliche Spielerin auch den Beruf einer Priesterin auszuüben und Bischöfin zu werden. Dies dient dem Spielspaß und der Gleichberechtigung. Wer das unrealistisch nennt, den verstehen wir. Wer es aber nicht akzeptiert oder nicht toleriert, der möge sich zum einen vor Augen halten, dass es sich bei “DIE GILDE” um ein Spiel handelt. Zum anderen sei diesen Personen gesagt, dass wir der Auffassung sind, dass jeder Beruf und jedes Amt jedem offen stehen sollte. Unabhängig vom Geschlecht! Unabhängig von der Herkunft!
Gerade der letzte Text könnte heute auch problemlos im Wahlprogramm einer linksorientierten Partei stehen. Auf jeden Fall ist es lobenswert, dass die Entwickler diesen Punkt nicht einfach übergehen, sondern den Unterschied zwischen Spiel und Wirklichkeit einmal ansprechen. Genauso wie die Tatsache, dass sie den Spielspaß über die historischen Begebenheiten gestellt haben (wer mehr dazu lesen möchte: Hier gehts weiter).
Hatten Frauen in der Stadt also rein gar nichts zu sagen? Dass die Emanzipation hier nicht so weit wie in der Arbeitswelt war, kann man schon sagen. Auch gibt es keine Ausnahmen wie bei den Betrieben, wo zumindest einige weiblich geprägt waren. Die Diakonie war zumindest im Frühmittelalter oftmals ein von Frauen ausgeübtes Amt, aber der Wandel von einem eigenständigen Beruf zu einer Art Vorstufe vor der Priesterweihe sorgte für eine „Entfemininisierung“: Frauen durften die Priesterwürde sowieso nicht erlangen, also wurden sie auch nicht mehr als Diakonin gebraucht. Ab dem 12. Jhdt. Gab es daher so gut wie keine Diakoninnen mehr und die Gilde beginnt erst um 1400. Eine Besonderheit stellen Frauenklöster dar, weil es dort ähnliche Bezeichnungen für die Ämter gab, die auch in der Stadt existierten. So gab es dort bspw. Kämmerinnen, die vom Aufgabenbereich zwar ähnlich, aber rein auf das Kloster beschränkt waren. Diese Ausnahmen zeigen schon, dass die „Unterlegenheit“ der Frauen gegenüber den Männern in den städtischen Ämtern deutlicher wurde, als bei den Betrieben. Das Spiel bietet hier in jeder Hinsicht eine Gleichberechtigung, die es im echten Mittelalter nie gegeben hat. Aber: Für den Spielspaß und im Sinne des heutigen Weltbildes ist das nichts, was dem Spiel in irgendeine Hinsicht schaden würde!
Babypause? Ohne mich…
Abseits der Karrieren und Ämter gibt es noch ein paar andere Punkte, auf die sich ein kurzer Blick zu wagen lohnt. Denn ganz ohne Unterschiede zwischen den Geschlechtern geht es dann doch nicht: Bei einigen Items wird nach Geschlechtern sortiert. So kann ein Knochenarmreif bspw. nur einer Person des gleichen Geschlechts gegeben werden, während es bei Gedichten andersherum ist. Hier hat man also Pech, wenn die zu bestechende Person das falsche Geschlecht für das jeweilige Item hat. Ansonsten ist aber alles gleichgestellt, selbst die Fortpflanzung: Zwar bekommen immer noch die Frauen die Kinder, aber es gibt keine Probleme bezüglich der Schwangerschaft oder der Kindererziehung. Prinzipiell kann man am Tag arbeiten, bekommt das Kind und sofort geht es mit der Arbeit weiter. Das Kind erzieht sich quasi „von selbst“. Ein Traum für jeden Kapitalisten! Im Gegensatz zum relativ emanzipatorischen Frauenbild ist das Bild der Ehe dem strengen Mittelalter nachempfunden: Es gibt keine gleichgeschlechtlichen Beziehungen, nur Männer und Frauen können heiraten.

Frauen sind in Die Gilde also in einer weitaus stärkeren Position, als es ihre realen Kolleginnen im Mittelalter waren: Das zeigt sich vor allem in der Ämterlaufbahn, wo es für Frauen nahezu keine Möglichkeit gab, einen Posten zu übernehmen. „Besser“ sieht es da bei den Betrieben aus, hier konnten Frauen durchaus tätig sein, aber eher in Handwerksbetrieben wie der Schneiderei. Da nicht immer nur als einfache Arbeiterin, sondern auch als Meisterin. Kirche (höhere Ämter) und Militär standen für Frauen im Mittelalter nicht offen, die Arbeit als Bischöfin oder Priesterin wäre unmöglich gewesen. Spielerisch gibt es ansonsten fast keine Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Charakteren, lediglich ein paar Items achten auf das Geschlecht. Insgesamt zeigt die Gilde damit eine mittelalterliche Spielwelt mit vielen Details, die aber ein modernes Rollenverständnis besitzt. Das ist von den Machern aber bewusst gewollt und deshalb nicht als „historischer Fehler“ anzumerken. Im Gegenteil: Man weist sogar darauf hin, dass es historisch nicht korrekt ist, aber den Idealen der Entwickler entspricht, die über so ein Spiel auch vermittelt werden sollen. Somit birgt das Spiel sowohl eine moderne Komponente, die sich aber gut in den historischen Kontext des Spiels einfügt. Und sie ist nicht einmal falsch, wie die oben gefundenen Ergebnisse zeigen. Dadurch liefert Die Gilde ein gutes Vorbild für Spiele ab, wie man Moderne und Vergangenheit klug in einem Spiel verknüpft, ohne den Spielspaß zu beeinträchtigen. Kann man sich nicht trotzdem darüber aufregen? Natürlich! Aber frei nach den Entwicklern sei gesagt, dass es sich hier um ein Spiel und keine wissenschaftliche Arbeit handelt! Und generell sollte man sich nicht über fehlenden Realismus in einem Spiel aufregen, wo sich Leute nur von Körnermahlzeiten ernähren, Untote als Arbeiter „beschworen“ werden können oder Konkurrenten verflucht werden können…