Unhistorisch = schlecht? Meine Meinung dazu

Lange Zeit war der Film „Troja“ von Wolfgang Petersen einer meiner Lieblingsfilme. Bis ich dann erfahren habe, was an diesem Film eigentlich alles nicht der Wahrheit entspricht: das Urteil des Paris fehlt komplett; der eigentlich 10 Jahre andauernde Kampf wird in wenigen Wochen abgehandelt; Achilles stirbt nicht wie in der Vorlage vor der entscheidenden Schlacht, sondern „dramatisch“ in dieser; Menelaos stirbt auch, obwohl er den Krieg eigentlich überlebt etc.. Ich kann wirklich nicht verstehen, wieso man sich nicht 1:1 an diese Vorlage hält, obwohl sie doch wie auf dem Serviertablett vor einem liegt! Dabei ist doch gerade historische Genauigkeit das entscheidende Merkmal für einen guten Historienfilm oder auch für ein gutes historisches Videospiel…

…oder etwa nicht?

Wer  jetzt die Ironie in der kurzen Einleitung erkannt hat, wird hoffentlich auch erkannt haben, worauf ich hinaus will: das Thema historische Genauigkeit in Kombination mit anderen Medien ist immer ein heikles Thema: Sollte man ein Videospiel mit historischen Inhalten (um mal zum Blogthema zu kommen) wirklich nur daran bewerten, wie genau die Bedingungen umgesetzt wurden? Diese Sichtweise hat ein paar Probleme, über die ich kurz etwas sagen will:

  1. Es gibt nicht DIE historische Genauigkeit. Historiker schaffen keine Fakten, sondern versuchen, aus den gegebenen Mitteln die Vergangenheit so gut es geht zu rekonstruieren. Das ist manchmal einfach, aber manchmal eben nicht: wenn man ein antikes Werkzeug findet, kann man vermuten, dass die Menschen damit gearbeitet haben. Aber wenn man alte Aufzeichnungen von zwei verschiedenen Historikern findet, die über ein Thema unterschiedlich berichten, kann man nur vermuten, wer von ihnen die Wahrheit sagt und wer nicht (sofern das überhaupt eine von beiden tut). Hier bleibt dann nur abschätzen, aber ein gesichertes Bild von der Vergangenheit entsteht nicht. Vor demselben Problem stehen auch Spieleentwickler, wenn sie sich mit dem Thema befassen. Und wenn die vorhandenen Quellen unterschiedliche Bilder einer Sache zeigen, wird man sich wohl eher für diese entscheiden, die besser in das Spiel passt, als für die historisch anerkanntere. Kann man dies kritisieren, wenn daraus ein besseres Spiel entsteht? Ich glaube nicht und damit komme ich auch gleich zum zweiten Punkt:
  2. Videospiele (und auch Filme) sollen unterhalten und nicht historisch bilden. Natürlich ist es eine nette Beigabe, wenn man durch ein Spiel auch Einblick in historische Entwicklungen oder Ereignisse bekommt, aber kritisch darüber zu informieren ist die Aufgabe von Dokumentarfilmen, nicht von Videospielen. Denn in erster Linie sollte es doch darum gehen, ein gutes Spiel zu entwickeln und da muss das historische Element zurücktreten. Was nicht heißt, dass Spielspass und historische Genauigkeit nicht zusammenpassen würden, im Gegenteil: ein historisches Videospiel wird doch gerade dadurch gut, dass es historische Elemente geschickt in das Spiel einbaut. Civilization ist da ein gutes Beispiel, da man hier ein klar festgelegten Spielablauf hat, welcher um viele historische Elemente ergänzt wurde. Das Spiel ist nicht „Sklave der Geschichte“, sondern es nutzt die Geschichte an allen Stellen, wo es passt (und das sind sehr viele! 😀 ). Auch sieht man das historische Videospiele gute Videospiele sind, wenn man sie aus dem historischen Kontext zieht und in einen „unhistorischen“ Kontext setzt. Civilization hat dies mit dem eigenständigen Teil „Beyond Earth“ getan, Anno mit den Teilen „2070“ und „2205“ und die Total War-Serie mit dem neusten Ableger, der im Warhammer-Universum spielt.

Dazu sei aber auch gesagt, dass es genügend Negativbeispiele gibt, die beim Versuch eines historischen Videospiels gescheitert sind. Rise and Fall: Civilizations at War machte bspw. aus antiken Persönlichkeiten wie Kleopatra oder Caesar Superhelden, die sich durch ganze Gegnerhorden einfach durchmetzeln konnten. Und das war nicht einmal historisch, sondern auch spielerisch ziemlich mau. Die Burgenbausimulation Stronghold 2 hatte die Spielelemente Falknerei (-> zum Beseitigen von Rattenplagen) und Jauchegrube (-> zum Beseitigen von Exkrementen), welche zwar historisch korrekt sind, aber spielerisch keinen Mehrwert bieten und daher eher stören, als etwas gutes beizutragen. Der dritte Teil der Age of Empires-Serie dagegen wurde stark dafür kritisiert, dass er (im Gegensatz zu seinen Vorgängern) keinen historischen Vorbildern in der Kampange folgte und eine eher schwache „eigene“ Geschichte präsentierte. Ich will damit nicht sagen, dass diese 3 Beispiele schlechte Spiele sind, aber sie schaffen eben die Verbindung zwischen Spiel und Geschichte bei diesen Punkten nicht. Wobei man auch immer beachten muss, welche Art von historischem Videospiel man vor sich hat. Denn dort kann man prinzipiell drei Arten unterscheiden:

  1. Wirklich Historische Videospiele: Hier geht es darum, Geschichte exakt nachzuspielen. Man befindet sich in einem historischen Kontext und spielt bestimmte Ereignisse einer Nation oder einer Person nach. Dabei kann der Spieler die historischen Ereignisse aber nicht ändern, sondern spielt die Geschichte einfach nach. Ein Beispiel dafür sind die Kampangen bei Age of Empires 2: hier spielt man die Lebenswege von verschiedenen historischen Personen in verschiedenen Szenarien. Es gibt für jedes Szenario aber nur ein Ende, an welches das nächste dann anknüpft. So hangelt man sich quasi von Ereignis zu Ereignis, welche trotz unterschiedlicher Spielweisen in den Szenarien selbst nicht geändert werden können. Barbarossa wird also immer im Saleph ertrinken, egal, wie „gut“ man die dazugehörige Mission schafft. Bei solchen Spielen sind vor allem die Darstellung und die Erzählweise der jeweiligen historischen Ereignisse sehr wichtig.
  2. Teilhistorische Videospiele: Hier werden ebenfalls historische Ereignisse genutzt, aber der Spieler hat hier die Möglichkeit, die Geschichte umzuschreiben. Meistens werden bei solchen Spielen die Spieler in einem möglichst historischen Ausgangssetting herausgelassen und schreiben von da an ihre eigene Geschichte. Die Total War-Serie ist ein passender Vertreter dieser Gattung. Man soll die Geschichte warnehmen, aber selbst in ihr handeln und sie verändern. Und man kann beliebte „Was wäre wenn?“-Fragen selbst durch Spielen beantworten, was solche Spiele für Freunde kontrafaktischer Geschichte interessant macht. Diese Spiele leben daher auch von den kreativen Freiheiten und losen historischen Vorgaben.
  3. Videospiele mit „historischem“ Setting: Damit sind Videospiele gemeint, die keine historischen Elemente an sich haben, aber historische Settings für ihre Spielwelt nutzen. Anno 1404 nutzt bspw. verschiedene historische Elemente, um eine Mittelalterwelt zu simulieren, ohne dabei aber irgendwelche historischen Persönlichkeiten oder Ereignisse auftauchen zu lassen. Man erdenkt sich quasi „sein“ Mittelalter und lässt es im Spiel auferleben. Der Vorteil ist hier, dass man sich gezielt aussuchen kann, welche Elemente man nutzen will und welche nicht. Die dunklen Seiten des Mittelalters können hier auf ein Minimum reduziert werden, um ein „positiveres“ Aufbaustrategiespiel wie Anno 1404 machen zu können. Frei nach dem Motto: in diesem Mittelalter hätte ich auch gerne gelebt.

Für welche der drei Gattungen man sich auch immer entscheidet, wenn man ein historisches Videospiel machen möchte: jeder hat seine Vorteile und seine Nachteile. Und jede setzt auf unterschiedliche historische Akzente. Aber alle dieser Akzente machen im Endeffekt nur einen Teil des Spielspasses aus und damit komme ich wieder zum Anfang: Es geht mit in diesem Blog nicht darum, ein Spiel als schlecht darzustellen, weil es historisch eventuell nicht korrekt ist. Ich möchte eher aufzeigen, wo Spiele historische Elemente nutzen und dann gucken, ob diese wirklich so stimmen oder aus spielerischen Gründen anders dargestellt sind. Wenn ein Spiel historische Elemente klug einsetzt, werde ich das natürlich loben, genauso wie das Gegenteil kritisieren. Aber von der These, dass Spielspass und historische Authentizität streng miteinander zusammenhängen, halte ich wenig. Dasselbe gilt übrigends auch für Filme und alle anderen Medien. Troja ist ein super Film, aber das kann man auf genügend Filmseiten nachlesen. Daher stürzen wir uns jetzt auf die Spiele! 

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