Hauptstädte in Civilization V

Am Anfang war die Stadt…

Wie bei den meisten Strategiespielen hat jede Partie Civilization hat ihren Anfang, welcher mit dem Platzieren des ersten Gebäudes oder der ersten Stadt beginnt. Sofern es sich um ein Gebäude handelt, gibt es auch je nach Spiel unterschiedliche Startgebäude: Stronghold hat den Bergfried, Anno den Kontor, Age of Empires das Dorfzentrum usw.. Neben der spielerischen Rolle als „erstes Gebäude“ kommt den jeweiligen Gebäuden aber auch eine andere, historische Rolle zu: das erste Gebäude ist gleichzeitig die Ausgangslage für das Wachstum und von dementpsrechender Bedeutung: Keine Burg kann ohne Bergfried existieren, keine Inselstadt ohne Hafen. Und jedes mittelalterliche Dorf hatte sein Zentrum mit allerlei Gebäuden. Für den Spieler bedeutet das, dass er in dieser Form somit auch historisches Wissen mitbekommt und sich der Wichtigkeit dieses Gebäudes sofort bewusst wird. Auf Civilization übertragen kann man dies auch für die erste Stadt sagen: jedes Spiel beginnt damit, dass man eine erste Stadt gründet, welche dann die Hauptstadt ist! Von dieser geht nun die Entwicklung des gesamten Spiels aus: in ihr werden Einheiten produziert, Gebäude für Versorgung und Forschung gebaut, die Umgebung wird von ihr aus erforscht und nach dem Antreffen anderer Zivilisationen werden dort Botschaften errichtet. Dazu bekommt sie als einzige Stadt im Reich einen Stern neben ihren Namen eingetragen, mit welchem symbolisiert wird, dass es sich hier um die Hauptstadt eines Reiches handelt.

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Der Stern makiert Berlin als Hauptstadt in Civilization.

Der Spieler ist sich also bewusst, dass dies der Ausgangspunkt seines Reichs sein wird und deshalb auch zurecht den Titel Hauptstadt trägt. Da sich Civilization überall, wo es nur möglich ist, an historischen Beispielen bedient und man zu Beginn jeder Partie auch schon ausgewählt hat, mit welcher Nation man spielt, liegt es hier natürlich nahe, die Städte in Civ auch nach realen Vorbildern zu benennen. Das also derjenige, welcher Amerika spielt, also auch Städte wie New York oder Washington erbaut. Prinzipiell gibt es für die Städte im Spiel keine Wertigkeit, es hängt je nach Belieben des Spielers ab, was er aus ihnen macht. Einen kleinen Aspekt, den einem das Spiel suggeriert, findet man jetzt jedoch, wenn man wieder auf die Hauptstadt guckt: als wichtigste Stadt und Ausgangspunkt des Reichs kann diese natürlich keinen beliebigen Namen haben, sondern muss auch einen dementsprechenden Namen tragen. Und da die Hauptstadt auch als einzige Stadt das Gebäude Palast bekommt, wodurch das Spiel den Sitz des Herrschers definiert, wird diese Wertigkeit noch einmal unterstrichen. Aber wie legt man nun fest, was die wichtigste Stadt einer Nation ist? Bezieht man sich auf heutige Verhältnisse, um Spielern einen Aha-Effekt zu geben? Oder bezieht man sich doch eher auf historische Entwicklungen, bei welcher eine Stadt lange Zeit das Zentrum einer Nation war, es heute aber nicht mehr ist. Und was macht man bei Zivilisationen, die lange vor dem modernen Nationenbegriff existiert haben? All diese Fragen sollen nun in diesem Blogeintrag thematisiert werden!

Hauptstädte aus der Gegenwart?

Der erste Gedanke ist natürlich der, dass man sich an den momentanen Gegebenheiten orientiert hat: die heutigen Hauptstädte entsprechen auch den Hauptstädten im Spiel. Für ein Großteil der Nationen mag dies auch stimmen: Berlin ist die Hauptstadt Deutschlands, Paris die von Frankreich und Madrid die von Spanien. Wenn es aber so einfach wäre, gäbe es für mich aber keinen Grund, so einen bedeutungslosen Eintrag zu verfassen, daher gucken wir nun einmal auf die Ausnahmen: Japan dient hier als gutes Beispiel, denn während in echt die Stadt Tokio die Hauptstadt ist, hat sich Civilization für Kyoto entschieden. Der Grund dafür dürfte (wenn wundert es!) in der japanischen Geschichte liegen: Tokio wurde im Jahr 1868 zur Hauptstadt Japans erklärt, zuvor war es seit 794 (also über 1000 Jahre!) Kyoto gewesen. Dort befand sich der Kaiserpalast und dort begingen viele Kaiser ihre Krönungszeremonien. Wenn man also die gesamte japanische Geschichte betrachtet, war Kyoto weitaus bedeutender als Tokio und dies wäre die Begründung für die Auswahl als Hauptstadt.

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Die Kantei in Tokio. Während der Regierungschef in echt dort sitzt, säße er bei Civ in Kyoto.

Ähnliche Motive scheinen auch bei anderen Hauptstädten gewählt wurden zu sein, denn auch Ägypten (Spiel: Theben, Realität: Kairo), Brasilien (Spiel: Rio de Janeiro, Realität: Brasilia), Marokko (Spiel: Marrakesch, Realität: Rabat) und die Mongolei (Spiel: Karakorum, Realität: Ulaanbaatar) folgen diesem Muster. Die Niederlande bilden eine kleine Ausnahme, da der Regierungssitz nicht in der Hauptstadt ist: Amsterdam ist die Hauptstadt, sowohl in echt, als auch im Spiel, während die Regierung in Den Haag sitzt. Hat man sich also nicht an den aktuellen Gegebenheiten orientiert, sondern daran, welche Stadt am längsten die Hauptstadt eines Landes war?

 

Kommt es auf die Länge an?

Wie schon erwähnt war Kyoto zeitlich gesehen länger die Hauptstadt Japans als Tokio, auch Rio de Janeiro wurde 1960 von Brasilia als neuer Hauptstadt abgelöst, zuvor war sie gut 200 Jahre lang die Hauptstadt Brasiliens gewesen. Kairo wurde unter der Amtszeit des damaligen Vizekönigs von Ägypten Ismail Pascha (1867-1879) zur Hauptstadt ernannt, während Theben von 2119 v. Chr. bis zur Regierungszeit des Pharaos Echnaton (14. Jhdt. v. Chr.) Hauptverwaltungsort und Königsresidenz in Ägypten war. In der Mongolei war Karakorum von 1235 bis 1274 und von 1368 bis spätestens 1586 Hauptstadt der Mongolei, Ulaanbaatar wurde 1778 als feste Hauptstadt festgelegt. Damit würden sich beide Städte zeitlich gesehen kaum etwas nehmen, Karakorum ist nur wenige Jahre länger die Hauptstadt gewesen. Bei Marrakesch wird die Theorie aber so langsam brüchig: denn als eine von vier so genannten Königsstädten Marokkos teilte sie sich lange Zeit mit anderen Städten den Titel als wichtigste Stadt des Landes. Neben Marrakesch zählen Fès, Meknes und die heutige Hauptstadt Rabat zu den Königsstädten. Rabat ist erst seit 1912 die Hauptstadt, zuvor waren es (öfters wechselnd) die anderen drei. Zählt man die Gesamtjahre zusammen, kommt man auf folgendes Ergebnis: Fès war 525 Jahre Hauptstadt, Marrakesch 304 und Meknes 55. Fès war also 221 Jahre länger Hauptstadt als Marrakesch, im Spiel ist es aber trotzdem letztere. Aber auch bei heutigen Hauptstädte gibt es ähnliche Beispiele: in Äthiopien, wo Addis Abeba seit 1889 die Hauptstadt ist, zuvor aber Gonder über 200 Jahre die Hauptstadt war.

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Die Festung (und gleichzeitig der Amtsitz) des ersten Äthiopischen Kaisers in Gonder

Aus diesem Grund kann man auch diese Theorie nicht zu 100% verfolgen. Neben heutigen Umständen und der Dauer als Hauptstadt kann man nur noch schwierig „objektive Kriterien“ finden, nach denen sich eine Rangfolge der Städte aufstellen lässt. Heutige Einwohnerzahl wäre noch ein Maßstab, scheitert aber ebenfalls an zu vielen Beispielen: New York ist größer als Washington, Mumbai größer als Dehli und Shanghai größer als Peking. Von daher muss man nun wohl den Aspekt „historische Bedeutung“ einwerfen, welcher dafür sorgt, dass manche Städte trotz objektiver Kriterien vor anderen stehen. Denn die Bedeutung einer Stadt für die Geschichte einer Nation lässt sich zwar nicht messen, darf aber trotzdem nicht übergangen werden.

Die historische Bedeutung

Als gutes Beispiel, um diesen Wert ein wenig zu erläutern, bietet sich Berlin an: die Deutsche Geschichte zeichnet sich durch ihre Zersplitterung aus. Lange Zeit war das Deutsche Reich ein Staatenbund, in welchem die einzelnen Bundesstaaten relativ autonom agieren konnten. Erst nach er Reichseinigung 1871 hatte man eine offizielle Reichshauptstadt und dies war Berlin! Dies blieb sie bis 1945 auch und seit der Wiedervereinigung 1990 ist sie es auch wieder. Damit ist sie sowohl in der Geschichte Deutschlands die längste Hauptstadt, als auch die aktuelle. Darüber hinaus erfüllt sie aber auch die historische Bedeutung, welche die Position als Hauptstadt rechtfertigen würde: Sie war die erste Hauptstadt eines geeinten Deutschlands, sowohl Kaiser als auch später Kanzler und Präsidenten regierten in ihr und die Berliner Mauer stand als Symbol für die Trennung, ihr Abriss später für die Einigung Deutschlands. Kennedys „Ich bin ein Berliner“, Reuters „Ihr Völker der Welt, […] Schaut auf diese Stadt […]“, Goebbels „Wollt ihr den totalen Krieg?“ usw. sind nur ein paar Zitate, welche untrennbar mit Berlin verknüpft sind und ihren Platz in der Weltgeschichte gefunden haben.

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Ein denkwürdiger Besuch in Deutschland: John F. Kennedy (1963)

Berlin steht symbolisch an der Spitze der Deutschen Geschichte und auch deshalb als Hauptstadt der Deutschen in Civilization. Denn auch (in Geschichte) relativ unerfahrene Spieler sollen den Bezug erkennen. Nun sollten wir uns jedoch auf die große Ausnahme stürzen, auf die wir gestoßen sind: Marrakesch.

Wie schon erwähnt ist Marrakesch weder heutige die Hauptstadt, noch längste Residenzstadt von Marokko. Also müssen wir nun einen Blick auf das historische Marrakesch werfen, um den Grund für die Bevorzugung zu finden! Und dieser hängt auch mit Ahmad Al-Mansur zusammen, welcher der Anführer Marokkos in Civilization 5 ist. Denn er gehörte zum Königshaus der Saadier und diese hatten ihre Residenz in… Marrakesch! Al-Mansur gilt als großer Reformer in der Geschichte Marokkos und war vor allem finanzpolitisch sehr aktiv: neben Sanierung der Finanzen sorgte er sich um verbesserte Handelsbeziehungen zu Europa und konnte das Land so als „Tor nach Afrika“ aufbauen. Interessanterweise hat man den Bonus von Marokko im Spiel ebenso genannt und er bringt extra Gold für jeden Handelsweg. Auf jeden Fall gilt diese Phase als eine Blütezeit in der Landesgeschichte und ist untrennbar mit der Herrschaft in Marrakesch verbunden. Neben dieser historischen Begründung könnte auch eine „touristische“ den Ausschlag gegeben haben: denn Marrakesch ist mittlerweile die Reisehauptstadt Marokkos, auf der Reiseseite Tripadvisor galt die Stadt im Jahr 2015 als beliebtestes Reiseziel der Welt (!). Auch nicht Marokko-Reisenden sind der Marktplatz Djemaa el Fna oder die Koutoubia-Moschee bekannt, sodass gleich eine Bindung zu dem Land entwickeln kann und es für den Spieler einen Aha!-Effekt gibt. Denn Identifikation mit bekannten Dingen fällt bekanntlich leichter, als mit unbekannten!

Auch die anderen Beispiele lassen sich durch die historische Bedeutung ein wenig leichter einordnen: Addis Abeba war der Regierungssitz von Haile Selassie, der ja einer der bekanntesten Anführer Afrikas ist (und Stilikone für die Rastafari!).

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Stilvorbild: Haile Selassie

Dazu entwickelte sie sich nach der Ernennung zur Hauptstadt zu einer „Boomtown“ und stand stellvertretend für die Eigenständigkeit Äthiopiens im Gegensatz zu den vielen Kolonien europäischer Staaten auf dem afrikanischen Kontinent, was für die Identität des Landes ziemlich wichtig ist. Theben hat als jahrtausendelange Hauptstadt des alten Ägyptens nicht nur von der Dauer, sondern auch von der Bedeutung einen klaren Vorrang vor dem „modernen“ Kairo. Selbst nach dem Umzug der Regierung nach Memphis blieb Theben weiterhin der Hauptkultort und das religiöse Zentrum Ägyptens. Karakorum war die erste befestigte Hauptstadt der Mongolen und man baute dort Regierungsgebäude zur Etablierung eines organisierten Staatswesens. Dies geschah nicht gleich unter Dschingis Khan, welcher die Stadt aber schon als Residenzstadt erwählt hatte, sondern unter seinem Sohn und Nachfolger Ugedai Khan. Und in dieser direkten Verbindung liegt einer der Grundsteine des mongolischen Nationalbewusstseins, an welcher Ulaanbaatar nicht heranreichen kann. Auch Rio de Janeiro als langjähriger Königssitz, erste unabhängige Hauptstadt Brasiliens und weltweit bekannten Orten wie der Copacabana oder dem Cristo Redentor hat in historischer Sicht mehr zu bieten als die Planhauptstadt Brasilia.

Wenn man weitersuchen würde, könnte man auch für die meisten anderen Nationen historische Begründungen für die Hauptstadtwahl finden, aber meistens ist das für Städte wie Paris oder Rom nicht nötig. Sicherlich kann man hinterfragen, wie sinnvoll es generell ist, „alte/antike“ Staaten mit modernen Staaten zu vergleichen, die zwar denselben Namen tragen, sich aber kulturell und von der Gesellschaft her stark unterscheiden. Worauf man aber noch einen Blick werfen kann, sind die Hauptstädte von Nationen, welche heute gar nicht mehr existieren.

Verblichene Nationen und deren Hauptstädte

Um diesen Punkt ein wenig zu erläutern, ziehe ich einfach mal das Beispiel des Byzantinischen Reiches heran: nach der Reichsteilung des Römischen Reichs 395 in Ost- und Westrom wurde Konstantinopel die Hauptstadt des oströmischen Reichs. Bis zu deren Eroberung durch die Osmanen 1453 blieb sie dies auch und stellte immer das Zentrum des Byzantinischen Reiches dar. Hier sei noch erwähnt, dass die Betitlung als „Byzantinisch“ aus der modernen Forschung entstammt, in der Antike galten die Byzantiner weiterhin als Römer oder als Griechen (für die Weströmer). Auf jeden Fall gibt es hier wenig Gründe, die gegen Konstantinopel als Hauptstadt von Byzanz sprechen würden. Interessanter wird es bspw. bei Assyrien. Denn hier gab es mehrere Hauptstädte, wobei Assur hier die ist, für welche sich die Entwickler als Spielhauptstadt entschieden haben. Assur war auch die erste Hauptstadt eines Assyrischen Reiches und dementsprechend auch Namensgeber dessen. Dies wird auf etwa 1800 v.Chr. datiert, knapp 1000 Jahre später wechselte die Hauptstadt dann nach Nimrud (~883 v.Chr.). Danach kam es in relativ kurzer Zeit zu einigen Wechseln der Hauptstadt, bis es 705 v.Chr. schließlich Ninive wurde, welche diesen Titel auch bis zum Untergang beibehielt. Wenn man sich also rein die Dauer der Hauptstädte anguckt, ist es also nicht verwunderlich, dass man sich hier für Assur entschieden hat. Auch der Bezug zum Namen des Gesamtreiches verdeutlicht nochmal die historische Bedeutung der Stadt. Ist Assur deshalb ohne „Konkurrenz“? Tatsächlich ist es das Spiel, welches hier ein wenig für Uneinigkeit sorgt, denn durch den Bonus „Schätze von Ninive“ und Assurbanipal als Anführer, stellt man Ninive in den Mittelpunkt. Jener regierte dort nämlich während seiner Regentschaft (669 – 627 v.Chr.) und baute zahlreiche neue Tempel und Palastanlagen. Auch stand dort die Bibliothek des Aššurbanipal, welche die größte bekannte Sammlung von Literaturerzeugnissen aus dem Alten Orient stammt und auch Inhaltsgeber für den Bonus der Assyrer ist: denn dieser ist ein technologischer Bonus und gewährt den Assyrer eine neue Technologie von einem Mitspieler, wenn man eine seiner Städte erobert. Damit impliziert der Bonus, dass Aššurbanipal fast schon räuberisch andere Völker erobert und deren technologischen Forschungsstand „geraubt“ hätte. Dies ist nicht ganz richtig, denn er schickte vor allem Schreiber in fremde Gegenden, damit diese Texte verfassen und dieses neue Wissen zurückbringen konnten. Insofern wäre Ninive durchaus auch ein Kandidat für die Hauptstadtposition gewesen, aber die Länge der Zeit als Hauptstadt, der Bezug zum Namen der Zivilisation und die historische Bedeutung als erste Hauptstadt hat Assur dann vor Ninive platziert. Dieses findet sich als Ausgleich dafür im Bonus wieder.

Eine weitere besondere Nation ist Arabien, denn im Prinzip sprechen wir hier von einer Nation, die so gar nicht wirklich existiert hat. Zwar gelang unter Mohammed die Einigung vieler arabischer Stämme, aber nicht lange nach seinem Tod bildeten sich eine Vielzahl von Teilreichen, welche zwar alle die islamische Kultur gemeinsam hatten, aber ansonsten autonom waren. Auch Saudi-Arabien, welches man eventuell als „modernen Nachfolger“ deuten könnte, wurde in erster Staatsform erst 1744 ausgerufen. Deshalb kann man auch im Zeitraum zwischen 630 (Eroberung Mekkas) und 809 (Tod Harun al-Raschids) nur schwierig von einem „Arabischen Reich“ sprechen, auch wenn es den jeweiligen Kalifen gelang, diese größtenteils zentral zu lenken. Und hier sind wir wieder bei unserem Thema, denn diese zentrale Lenkung geschah aus vielen Orten, aber eigentlich nicht aus der Hauptstadt im Spiel: Mekka. Die Stadt ist das religiöse Zentrum des Islam, durch die Kaaba auch deren zentraler Wallfahrtsort.

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Reiseziel vieler Muslime: Die Kaaba in Mekka

Mohammed wurde in ihr geboren und nach ihrer „Rückeroberung“ 630 hatte sich der Islam endgültig durchgesetzt. Aber: politisch war sie eher unbedeutend. Selbst nach ihrer Eroberung zog es Mohammed vor, das Zentrum der Regierung in Medina zu lassen. Später folgten dann noch Kufa, Damaskus und schließlich Bagdad, in welcher auch der Anführer Arabiens in Civilization, Harun al-Raschids, herrschte. Aus diesem Grund muss man sich schon fragen, wieso man sich im Spiel nun für Mekka als Hauptstadt entschieden hat. Die Begründung könnte im so genannten Orientalismus liegen, eine Theorie, welche Edward Said 1978 publiziert hat. Nach dieser Theorie kreiert sich der „Westen“ den Orient so, wie er ihn nach eigenen Vorstellungen haben möchte, ohne sich wirklich historisch mit ihm zu befassen. Und wer an Arabien denkt, denkt dann meistens auch gleich an den Islam und hierbei kommt einem natürlich gleich Mekka in den Sinn. Genauso wie Harun al-Raschid aus den Geschichten aus Tausendundeine Nacht bekannt ist. Natürlich kann man aber auch historisch argumentieren, dass Mekka als Zentrum des Islams auch Zentrum Arabiens war, wenn man den Islam als Grundlage dieses „Staates“ sieht und daher die Hauptstadt ist. Und dies ist wahrscheinlich auch die Begründung der Entwickler, denn politisch gesehen sind die vorher genannten Städte (vor allem Bagdad) als Hauptstadt eher geeignet.

Ergänzend sei zu diesem Punkt noch erwähnt, dass man „unseren“ Hauptstadtbegriff nicht wirklich komplett in die Vergangenheit transportieren kann. Wie schon erwähnt hatten einige Reiche Residenzstädte und keine festen Hauptsitze, von welchen aus das Land regiert wurde. Die Herrschaft fand immer dort statt, wo der König gerade residierte und dies geschah oft auf Reisen quer durch das Reich. Auch in der deutschen Geschichte ist ein solches Reisekönigtum nichts fremdes, denn viele Könige des Mittelalters regierten ebenfalls auf diese Weise. Residenzstädte war zwar die Orte, wo er sich meistens aufhielt, mit dem heutigen Begriff eines ständigen und festen Regierungssitzes einer Hauptstadt kann man es aber nur schwierig vergleichen. Da das Spiel dies aber nicht unterscheidet, sei es hier angemerkt!

Die große Ausnahme: Das Hunnenreich

Eine große Ausnahme für das Spiel stellt das Hunnenreich dar: hier trägt die Hauptstadt den Namen „Attilas Hof“ und alle weiteren Städte, welche man gründet, „klauen“ ihren Titel bei anderen Zivilisationen, die am Spiel teilnehmen.

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Die einzige „Hunnische“ Stadt im Spiel: Attilas Hof

Bei einer Teilnahme Deutschlands könnte die zweite Stadt der Hunnen also bspw. Hamburg heißen. Attilas Hof bleibt also die einzige „hunnische“ Stadt, andere eigene Städtenamen gibt es nicht. Hier stellt sich natürlich die Frage, wieso es hier so einen Bruch zu den anderen Zivilisationen im Spiel gibt. Haben die Hunnen etwa keine Städte gehabt? Hier gibt es historisch gesehen tatsächlich ein gewisses Problem, denn obwohl die Existenz Attilas und seiner militärischen Vorstöße in den Westen weitestgehend gesichert ist, sieht es bei den Informationen zum Hunnenreich selbst schlechter aus. Hier sind die meisten Quellen eben keine „Selbstquellen“, sondern Quellen vor allem römischer Natur. Und diese befassen sich natürlich mehr mit den militärischen Aspekten, die sie bei der Abwehr stärker wahrnehmen, als mit der hunnischen Kultur oder dessen Organisation. Auch Attila selbst kommt in solchen Quellen eher negativ weg, sein Beiname „Geißel Gottes“ ist auch eine Bezeichnung der Römer, interessanterweise ist dieser Beiname auch der Titel des Bonus der Hunnen in Civilization. Daher ist ein Großteil des historischen Bildes der Hunnen immer sehr vorsichtig aufzufassen, da es doch sehr einseitig geprägt ist und vom Spiel in dieser Hinsicht auch so wiedergegeben wird. Ein anderer Grund könnte daran liegen, dass die Hunnen ein Nomadenvolk waren und deshalb auch mehr gewandert sind, als sich mit dem Gründen von Städten aufzuhalten. Dabei gab es keine feste Residenzstädte für den Anführer, sondern man hat den ganzen Hofstaat bzw. die Regierung mitgenommen. Daher setzt sich dann auch der Titel der hunnischen „Hauptstadt“ in Civilization zusammen, Attilas Hof. Denn so kann man noch am ehesten einen gleichwertigen Vergleich zu den Hauptstädten der anderen Zivilisationen ziehen. Und da das Hunnenreich auch nur von relativ kurzer Dauer war, hatte man keine Zeit, eine eigene Kultur zu verfestigen. Als einzig wichtiger Standort bleibt so nur der Sitz des Anführers.

Fazit

Die Hauptstädte der jeweiligen Zivilisationen lassen sich also nicht wirklich an bestimmten Kriterien definieren, aber es gibt eine große Ansammlung von selbigen, welche zur Auswahl führen. In den meisten Fällen sind die Städte auch heutige Hauptstädte, andernfalls historische Hauptstädte oder waren die meiste Zeit die Hauptstadt eines Landes. Die historische Bedeutung ist meistens vorhanden, auch wenn sie für den normalen Spieler nicht sofort erkenntlich wird, sofern er nicht die Zivilopädie durchblättert. Daraus kann man schließen, dass die ausgewählten Hauptstädte einen Kulminationspunkt des Selbstverständnisses einer Zivilisation darstellen sollen: es wird dem Spieler zwar nicht klar, warum diese Stadt nun bedeutend ist, aber es wird ihm klar, dass sie bedeutend ist. Und aus historischer Sicht findet sich diese Bedeutung auch für jede Hauptstadt in Civilization 5 wieder, weshalb man für diesen Aspekt von einer historisch relativ gelungenen Auswahl sprechen kann.

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