Gibts die noch? – Age of Empires II Völker-Spezial [Teil 1]

In gut 500 Jahren hat sich doch so einiges getan: anstatt mit 5 km/h auf dem Pferd reisen wir heute 10- oder 100-mal so schnell. Anstatt Plumplsklos haben wir heute selbst spülende Toiletten. Und in der Regel heiratet man heute aus Liebe (sofern überhaupt noch geheiratet wird!). Schaut man von diesen Unterschieden des alltäglichen Lebens jedoch auf eine etwas größere Ebene, so wird man sehen, dass sich die Weltkarte ein wenig verändert hat: Wo früher Wikinger lebten, treffen wir heute Norweger und Schweden an. Halb Europa erstreckt sich über die Gebiete der gotischen Eroberungen im frühen Mittelalter. Doch hat sich alles verändert? Immerhin wetteifern in Age of Empires mit den Türken, den Spaniern oder den Mongolen auch Völker um den Sieg, welche wir aus dem heutigen Erdkundeunterricht bestens kennen (sollten!). Einige Völker scheinen die 1500 bis 500 Jahre bis heute also besser überstanden zu haben, als andere. Deshalb möchte ich in diesem kleinen Spezial einmal auf die Völker in Age of Empires II gucken und überprüfen, ob es diese Völker heute noch gibt oder nicht (oder so halb?). Das der Begriff „Völker“ hier wieder kritisch betrachtet werden muss, weil sich „historische“ Völker und unserer moderner Völkerbegriff unterscheiden, sei an dieser Stelle noch einmal kurz erwähnt. Wir konzentrieren uns aber darauf, was uns Age of Empires II als Spiel vorgibt und das sind nun mal die „Italiener“ und die „Briten“. Also gilt es nun herauszufinden, welche Völker dem „Test of Time“ (Danke Civilization!) standgehalten haben. Viel Spass beim Lesen!

Azteken

In der heutigen Zeit hätten die Azteken durch ihre regelmäßigen Menschenopfer sicherlich mit einigen Problemen bezüglich der Menschenrechte zu kämpfen. Allerdings überlebten sie als Volk nur knapp über das Mittelalter hinaus: 1525 wurde mit Cuauhtémoc der letzte aztekische Herrscher von den Spaniern hingerichtet und nach der Gründung des Vizekönigreichs Neuspanien in Mittelamerika wurde die Bevölkerung nach und nach zum Christentum konvertiert. Damit einher folgte auch die Verdrängung aztekischer Kultur durch christliche Bräuche etc.. Zwar haben sich einige Feste bis in die heutige Zeit bewahrt und auch Nahuatl, eine auch von den Azteken verwendete Sprache, wird noch von gut 1,5 Millionen Menschen gesprochen, aber die meisten Menschen aztekischer Abstammung würden sich heute eher als Mexikaner bezeichnen. Zumal die Azteken auch „nur“ einer von vielen indigenen Stämmen waren, aus welcher sich ein Großteil der heutigen mexikanischen Bevölkerung zusammensetzt.

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Die vielleicht bekannteste Tradition mit aztekischem Hintergrund: Der Tag der Toten in Mexiko

EDIT: In den Kommentaren gibt es noch einige weitere Informationen des Users Maxikosi! 🙂

Berber

Wenn man an „Völker ohne eigenen Nationalstaat“ denkt, fällt einem wahrscheinlich das wohl bekannteste Beispiel der Kurden ein. Auch die katalanischen Proteste seit letztem Jahr zeigen das Problem von „Völkern im Volk“. Die Berber reihen sich ebenfalls in diese Reihe ein, sind ihre Siedlungsgebiete heutzutage über mehrere afrikanische Staaten verteilt: Marokko, Niger, Mali oder Algerien beheimaten allesamt berbische Stämme, der bekannteste dürfte der Stamm der Tuareg sein (Nein, daher stammt nicht der Name für das VW-Automodell!). Knapp 40 Mio. Menschen sprechen heute noch berberisch, sodass wir auch heute noch Berber antreffen, wenngleich sie keinen eigenen Staat haben. Auch wenn es durchaus Bestrebungen gibt.

Briten

Schon durch „Asterix bei den Briten“ wissen wir, dass Asterix und Obelix schon vor 2000 Jahren dort waren, wo wir auch heute noch hinreisen können: Nach Großbritannien! Und auch wenn das britische Königreich heute nicht mehr ganz so groß wie früher ist, so existieren die Briten als eigenes Volk natürlich noch. Wobei viele Briten sich auch eher als Engländer, Schotte oder Waliser sehen. Über den britischen Tennisspieler Andy Murray wurde oft gesagt: „Wenn er [Murray] gewinnt, ist er Brite. Wenn er verliert, Schotte“. Zugehörigkeit, wie man sie haben möchte. Die spinnen, die Briten.

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Auch wenn die Römer erst gut 100 Jahre später Britannien erobern sollten, half Asterix seinen Nachbarn schon 50 v.Chr. aus der Patsche

Birmanen

Werfen wir mal einen Blick nach Birma. Oder Burma. Oder Myanmar. Wer in Erdkunde gut aufgepasst hat, wird wissen, dass dieses Land gerne als Birma/Myanmar angegeben wird. Burma ist der englische Name. Wer lebt denn heute dort? Tatsächlich sind es zu 70% Birmanen, die birmanische Sprache ist Amtssprache. Warum dann so kompliziert? Der Grund hierfür liegt in der ehemaligen britischen Kolonialherrschaft: Um die Unabhängigkeit des Staates stärker hervorzuheben beschloss die 1989 regierende Militärregierung die Umbenennung von Birma/Burma in „Republik der Union Myanmar“, oder einfach „Myanmar“. Zuvor war die Kolonie als „British Burma“ bekannt gewesen. Insofern mag der Name ein wenig verwirren, aber die Birmanen sind auch heute noch auf dem Globus zu finden. Egal, ob sie nun in Birma/Burma oder Myanmar leben. Die amtierende Regierungschefin Aung San Suu Kyi betonte 2016 übrigens, dass es Diplomaten freigestellt sei, welche Bezeichnung sie für das Land verwenden würden: „it is up to you

Byzantiner

Eines der vielleicht wichtigsten Jahre der Weltgeschichte markierte nicht nur das Ende des Mittelalters, sondern gleich den Untergang eines der größten Reiche dieser Epoche: Die Byzantiner. Die Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 1453 war jedoch kein plötzliches Ende, hatte doch schon lange ein Zerfallsprozess eingesetzt. Viele byzantinische Gelehrte flohen in westeuropäische Städte und setzten ihr Wirken dort fort, auch überlebten einige byzantinische Bräuche durch die östlich-orthodoxen Kirchen weiter. Aber „Byzantiner“ wird man heute nicht mehr finden!

Kelten

Würde es nach dem antiken Geschichtsschreiber Herodot gehen, hätten die Kelten auch schon in Age of Empires I auftauchen können: Er berichtete schon im 5. Jhdt. v.Chr. von keltischen Stämmen jenseits der Donau. Tatsächlich ist die Forschungsgeschichts zu den Kelten relativ unklar: Definiert man Kelten nur nach dem Gebrauch der keltischen Sprache? Oder hat es auch einheitliche keltische Kulturen gegeben? Von Südosteuropa bis nach Großbritannien? Auf jeden Fall gingen die Kelten im Mittelalter nach und nach in andere Völker auf, von welchen die britischen Völker heute noch die größte Identifikation haben. Die sogenannten „sechs Keltischen Nationen“ (u.A. Schottland und Irland) haben mit der „Celtic League“ auch eine politische Plattform, um auch heute noch keltische Kultur und Sprache zu pflegen. Hierbei gilt jedoch, dass sich Schotten und Iren zwar ihrer keltischen Vergangenheit bewusst sein, sich selbst aber nicht mehr als Kelten bezeichnen würden.

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Auch Fußball stiftet Identität: Logo des schottischen Vereins Celtic Glasgow – gegründet von Schotten und Iren

Chinesen

Wenn man nach langlebigen Reichen sucht, muss man nach China schauen: Über 2000 Jahre hinweg existierte das chinesische Kaiserreich von 221 v.Chr. bis 1912. Auch durch den folgenden Wandel in eine (Volks-)Republik haben die Chinesen bis heute gut überstanden (sofern man es mit Menschenrechten nicht so ernst nimmt…). Das Land ist seitdem auf ständigem Wachstumskurs und man geht davon aus, dass China schon bald die größte Wirtschaftsmacht der Erde sein wird. Insofern gibt es die Chinesen heute eventuell mächtiger als je zuvor. Nur halt nicht mit Cho-Ko-Nu, sondern mit Technikexporten.

Äthiopier

Ganz Afrika war zu Zeiten des Kolonialismus von gierigen Europäern besetzt. Ganz Afrika? Nein! Ein kleines Land im Herzen des Kontinents leistete Widerstand. Nur dass deren Asterix Haile Selassie hieß: Als einer der wenigen Staaten Afrikas konnte sich Äthopien europäischer Kolonialisierungsversuche im 19. und 20. Jahrhundert erfolgreich widersetzen. Dabei geht die äthiopische Geschichte weit zurück: Hervorgegangen aus dem Aksumitischen Reich im 10. Jahrhundert n.Chr. überdauerte das Äthiopische Kaiserreich unter wechselnden Dynastien knapp ein Jahrtausend, bevor es nach zahlreichen Bürgerkriegen 1995 seinen aktuelle gültigen Namen inklusive Verfassung bekam. Der in Europa verbreitete Name Abessinien leitete sich von der ganzen Region um das Horn von Afrika herum ab. Tatsächlich lautete er aber Ityop’ya, zu deutsch: Äthiopien.

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William Wallace wäre stolz: Äthopien verteidigt erfolgreich seine Unabhängigkeit

[Weiter geht es in Teil 2 am 1.6.2018]

4 Gedanken zu “Gibts die noch? – Age of Empires II Völker-Spezial [Teil 1]

  1. Die Bezeichnung Azteken ist übrigens eine Fremdbezeichnung, die sich auch erst in den letzten zwei Jahrhunderten etabliert hat, Eigenbezeichnung Mexicas, die wiederum über diverse andere „Völker“ per Tributsystem herrschten und in der Gesamtheit dann die aztekische Kultur ausmachten. Generell wäre der Begriff Kulturen viel passender als der des Volkes (gerade auch für Byzanz), aber die Problematik hast du ja selber kurz angerissen.

    Und ja, Menschenopfer gab es, aber die Kelten waren diesbezüglich auch sehr aktiv. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie sehr dieser Aspekt selbst in den kürzesten Abhandlungen auftaucht, bei „europäischen Völkern“ dies aber nur sehr selten erwähnt wird.

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    1. Sehr schöner Kommentar, vielen Dank dafür! Freue mich immer über fachkundige Ergänzungen zu Themen, wo ich nicht so tief bewandert bin. 🙂

      Zu deinem letzten Punkt: Das ist in der Tat interessant. Eventuell ist das wieder so eine Sache mit der „europäischen Darstellung“, wo man solche „barbarischen“ Sachen nicht mit dem allgemeinen Bild europäischen Kulturen assoziiert (oder assoziieren will?). Wäre eventuell auch mal einen Blogartikel wert…

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  2. Die römischen Quellen sind zb voll von Berichten über Menschenopfer der Kelten, ärchaologisch kann man die auch nachweisen. Die Römer haben das gerne herangezogen, um die Kelten als zivilisationslose Barbaren darzustellen, während die Menschenopfer im römischen Imperium schon länger geächtet waren. Eine ähnliches Zusammentreffen gabs dann zwischen „Azteken“ und Europäern/Spaniern/Kastiliern, wahrscheinlich ist das erstmal normal, dass man eine Praxis, die man als inhuman wahrnimmt, aber selber mal praktiziert hat, so betont, teilweise auch überbetont. Das bis heute Menschenopfer oder auch Kannibalismus vor allem außerhalb Europas verortet wird, hat dann wahrscheinlich weiterhin etwas mit der Dominanz der europäischen Geschichtsschreibung zu tun.

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