Wunder gibt es immer wieder! – Ein Blick auf die Weltwunder der Civilization-Serie

Ein Herrscher besucht eine Baustelle:

„Baumeister, was machen unsere Pyramiden?“

„Es läuft gut, mein Gebieter! Schon bald werden sie fertig sein!“

„Sehr schön! Weiter so.“

Zufrieden geht der Herrscher nach Hause und legt sich in sein Bett. Am nächsten Tag begibt er sich wieder zur Baustelle. Doch wo gestern noch perfekt an- und aufeinander gelegte Steine lagen, sieht er heute nur eine leere Fläche. Verwundert wendet er sich an seinen Baumeister:

„Baumeister, was ist geschehen? Wo sind meine Pyramiden? Gab es einen Sturm? Ein Erdbeben?“
„Nein, Herrscher, es ist alles in bester Ordnung. Aber habt ihr die Nachrichten noch nicht gehört? Ein Bote hat berichtet, dass die Pyramiden bereits in einem fernen Land gebaut wurden.“

„Und deshalb habt ihr beschlossen, die ganze Arbeit mit einem Mal wieder einzureißen? Anstatt sie einfach auch fertigzustellen, sodass sich beide Völker daran erfreuen können?“

„Aber natürlich, Gebieter! So ein großes Gebäude kann nur in einem Reich stehen! Immerhin ist ihre Einzigartigkeit doch eines der zentralen Merkmale eines Weltwunders.“

„Und was machen wir jetzt mit der Fläche, Baumeister?“

„Ich hätte hier noch ein paar weitere Baupläne. Wie wäre es mit den hängenden Gärten? Oder eventuell dem Orakel?“

„Eine gute Auswahl, dann wollen wir mal auf ein neues beginnen! Hoffentlich überholt uns jetzt nicht schon wieder jemand…“

So oder ähnlich dürfte wohl ein Gespräch ablaufen, wenn man sich auf der Baustelle eines Weltwunders in Civilization aufhalten würde. Runde für Runde arbeitet man darauf hin, eines der begehrten Gebäude und die damit verbundenen Boni für sein Reich zu bekommen. In dieser Zeit werden keine anderen Gebäude oder Einheiten produziert, der ganze Fokus liegt auf dem Bau des Weltwunders. Doch je näher man dem Ziel kommt, desto mehr steigt auch die Anspannung: Baut jemand anders gerade dasselbe Weltwunder? Und wenn ja: Wie weit ist er im Vergleich zu mir? Die Spannung steigt an, bis endlich das erlösende Bild oder Video die Nachricht verkündet: Es ist geschafft. Ja, Weltwunder bauen ist in Civilization kein Zuckerschlecken.

Dabei sind diese besonderen Gebäude mittlerweile einer der interessantesten Aspekte des Spiels geworden. Ähnlich wie über neue Völker oder Anführer diskutieren die Fans auch gerne darüber, welches Gebäude es als neues Weltwunder ins Spiel schaffen könnte. Wenn man bedenkt, dass es dieses Spielelement bereits im ersten Civilization von 1991 gab, kann man auf eine lange Liste zurückblicken. Von dem Orakel und den Pyramiden bis hin zum Mont St. Michel oder dem Bolshoi-Theater: Nahezu jeder Kontinent ist bereits mit mehreren Weltwundern im Spiel vertreten. Grund genug, sich die Weltwunder der Serie einmal anzugucken: Welche Weltwunder haben es ins Spiel geschafft? Was sind die Kriterien dafür, als Weltwunder ins Spiel zu gelangen? Welche Vorbilder haben sich die Entwickler genommen? All diesen Fragen soll in diesem Blogartikel nachgegangen werden. Dementsprechend folgt nun der Satz, welchen man auch in der großen Bibliothek von Alexandria öfters gehört haben dürfte: Viel Spass beim Lesen!

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Wunder-voll seit 1991: Die Civilization-Serie! (Die Füße im Hintergrund sollen übrigens den Koloss darstellen.)

Definitionssache

Der wahrscheinlich erste Gedanke, der einem bei dem Begriff „Weltwunder“ kommt, ist der an die „sieben (klassischen) Weltwunder der Antike“: in der vom griechischen Schriftsteller Antipatros von Sidon überlieferten Anthologia Palatina werden die sieben bekanntesten Bauwerke der damaligen Zeit (2./1. Jahrhundert v.Chr.) erwähnt. In einer Art Reiseführer werden dabei sieben Bauwerke genannt, die man besucht haben sollte:

Die hängenden Gärten von Babylon

Der Koloss von Rhodos

Das Mausoleum von Halikarnassos

Der Leuchtturm auf der Insel Pharos vor Alexandria

Die Pyramiden von Gizeh in Ägypten

Der Artemistempel in Ephesos

Die Zeusstatue von Olympia

Heutzutage stehen nur noch die Pyramiden von Gizeh, alle anderen Weltwunder wurden zerstört. Bei einigen ist man sich nicht mal sicher, wo genau sie überhaupt gestanden haben, so gibt es bis heute keine genaue Lokalisierung für die hängenden Gärten. Interessanterweise ist dieser Kanon von Antipatros gar nicht mal der älteste, sondern schon knapp 200 Jahre zuvor kannte man einen Kanon von den sieben bedeutendsten Bauwerken der damaligen Zeit. Im Unterschied zu dem von Antipatros fehlte dort der Leuchtturm von Alexandria, stattdessen fanden sich dort die Stadtmauern von Babylon. Diese zerfielen jedoch im Laufe der Zeit und wurden dann durch den 279 v.Chr. fertiggestellten Leuchtturm ersetzt. Daran kann man schon erkennen: Weltwunder können durchaus auch ersetzt werden, wenn es dem jeweiligen Zeitgeist passt. Dass man sich immer an der Zahl 7 orientierte, lag daran, dass die 7 in der Antike für Vollkommenheit stand.

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Finden sich auch heute noch in den meisten Reiseführern: Die Pyramiden von Gizeh in Ägypten

An Antipatros angelehnt versuchte man dann, weitere Listen von Weltwundern zu erstellen. Der wohl bekannteste Versuch war die Ernennung der „neuen sieben Weltwunder“ durch die sogenannte NewOpenWorld Foundation, welche bereits im Jahr 1998 gegründet wurde. Nach einem langwierigen Prozess wurden schließlich 7 Bauwerke ausgewählt, die heute alle noch existieren:

Chichén Itzá

Die Chinesische Mauer

Cristo Redentor

Das Kolosseum

Machu Picchu

Petra

Der Taj Mahal


Wirklich feste Kriterien gab es hierfür nicht, aus einer Liste von 200 Vorschlägen wurden 77 von Internetnutzern in die nächste Runde gewählt. Eine Jury von sieben Architekten und dem damaligen UNESCO-Vorsitzenden Federico Mayor Zaragoza wählte dann 21 aus dieser Gruppe aus, über welche man dann wieder über Internet, Telefon oder SMS abstimmen konnte. So hatte man am Ende die „neuen sieben Weltwunder“. Dieser ganze Prozess wurde jedoch (zurecht!) heftig kritisiert, da sie global gesehen stattfinden sollte, aber die unterschiedlichen Voraussetzungen (gerade in Bezug auf den Internetzugang) gar nicht berücksichtigt wurden. Interessanterweise sollten es auch alle diese „neuen“ Weltwunder später in die Civilization-Serie schaffen. Ein weiterer Versuch eines solchen Kanons entstammt der American Society of Civil Engineers, dem Berufsverband der amerikanischen Bauingenieure. Im Jahr 1995 legten sie folgende Bauwerke fest:

CN Tower

Deltawerke und Zuiderzeewerke

Empire State Building

Eurotunnel

Golden Gate Bridge

Itaipu-Damm

Panamakanal

Diese Liste überzeugte die Entwickler von Civilization aber wohl weniger, hier schaffte es lediglich der CN Tower in einen späteren Teil.

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Begeistert amerikanische Bauingenieure und Civilization-Entwickler: Der CN Tower in Kanada

Wenn wir uns von dem starren Begriff „Weltwunder“ wegbegeben, finden wir einen ähnlichen Begriff, welcher den meisten auch heutzutage bekannt sein dürfte: Welterbe. Der von der UNESCO vergebene Titel teilt sich noch in Weltkulturerbe und Weltnaturerbe auf, wobei das Weltkulturerbe dem Sinn eines Weltwunders wohl am ehesten entspricht: Dort gilt es nämlich darum, auf herausragende Zeugnisse der Menschheits- und Naturgeschichte hinzuweisen. Oftmals sind diese Welterbestätten auch beliebte Reiseziele, wo wir wieder bei Antipatros wären. Und auch für die Entwickler von Civilization sind diese Ernennungen scheinbar eine Inspiration: So trägt ein Großteil der Weltwunder in den Spielen auch gleichzeitig den Titel eines UNESCO-Weltkulturerbes. Um mal ein deutsches Beispiel heranzuziehen: Seit 2001 trägt die „Zeche Zollverein“ den oben genannten Titel. In Civilization VI hat es nun das „Ruhrgebiet“ als Weltwunder ins Spiel geschafft, welches optisch doch sehr stark an diese Zeche erinnert. Insofern gibt es für die Entwickler genügend Inspirationsquellen, um neue Weltwunder in die Serie einzubauen. Schauen wir uns nun an, welche es denn bisher geschafft haben und viel wichtiger: Was sie im Spiel bewirken.

Alles oder Nichts

Wie schon im einführenden Dialog aufgezeigt, definieren sich Weltwunder in der Serie vor allem dadurch, dass man sie nur einmal auf der Karte finden kann. Zwar können beliebig viele Nationen mit dem Bau beginnen, aber nur diejenige, wo sie zuerst fertig wird, darf es auch behalten. Und den damit verbundenen Bonus. Jede Nation, die mit dem Bau begonnen hat, aber nicht fertig geworden ist, wird vom Spiel aber immerhin entschädigt: In Civilization III z.B. wurde die bisher in das Weltwunder gesteckte Produktion aufbewahrt, sodass man die begonne Mühe 1:1 auf ein anderes Projekt übertragen konnte. Mit dieser Logik konnte man quasi direkt an einem anderen Weltwunder weiter bauen und sich wertvolle Zeit sparen. Mir wurden zwei Runden vor Fertigstellung die Pyramiden weggeschnappt? Kein Problem, dann baue ich in 2 Runden eben den großen Leuchtturm. Dass das Verschieben der Produktion dabei keine Probleme macht, wirkt ein wenig merkwürdig, wenn man vorher mühsam Runde für Runde Arbeit in das Weltwunder gesteckt hat. Die späteren Teile entschädigen den Spieler dagegen mit Gold, welches der bisher eingesetzten Produktion entspricht. Das ist zwar immer noch ein wenig unlogisch, aber spielerisch definitiv notwendig, damit man nicht mehrere Runden „verschwendet“ hat: Der Frust, ein Weltwunder nicht bekommen zu haben, ist so schon groß genug. Und jeder Civilizationspieler wird wissen, wie tief das gehen kann!

Diese „Alles oder Nichts“-Logik entspricht dabei nicht wirklich einem historischen Vorbild, sondern leitet sich eher aus dem Spiel ab. Tatsächlich wurden einige Weltwunder im Verlauf der Geschichte immer wieder kopiert oder nachgebaut. Als bestes Beispiel sind hier die Pyramiden zu nennen, von welchen (angelehnt an die ägyptischen Vorbilder) auch in Griechenland oder Rom Exemplare gebaut wurden.

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Die klauen, die Römer! – Die Cestius-Pyramide in Rom

Auch das Mausoleum von Halikarnassos sollte nicht das einzige Mausoleum sein: Als Namensgeber für derartige Grabstätten findet sich mit dem Taj Mahal auch in der Civilization-Serie ein weiterer berühmter Vertreter. Interessanterweise scheint diese Standortbegundenheit der Weltwunder in der Serie mal eine Rolle zu spielen, mal aber auch nicht: So finden wir in Civilization VI zwar das Arsenal von Venedig, aber auch den Großen Leuchtturm. Civilization V kennt das oben angesprochene Mausoleum von Halikarnassos, die Hängenden Gärten sind aber nicht jene „von Babylon“. Schaut man sich nun alle Weltwunder in Civilization VI an, so fällt auf, dass die „typische“ Ortsbezeichnung lediglich bei den sieben Weltwundern der Antike fehlt: Die Pyramiden, der Große Leuchtturm, der Koloss und die Hängenden Gärten. Moment, fehlen hier nicht noch drei? Ja, nämlich genau die, welche ohne ihre feste Ortsbezeichnung nicht wie ein großes Weltwunder klingen würden: Die (Zeus)Statue, der (Artemis)Tempel und das Mausoleum (von Halikarnassos). Civilization VI scheint sich hier auf die Strahlkraft der antiken Weltwunder an sich zu verlassen, vor allem, wenn man bedenkt, dass in den Vorgängertiteln auch hier noch die feste Ortsbezeichnung mit vorhanden war. Hierbei spielt wohl auch die fehlende Strahlkraft der Weltwunder mit Ortsbezeichnung eine Rolle: Wie schon bei den oben genannten Beispielen der Antike würde sich „Das Opernhaus (von Sydney)“ oder „Die Universität (von Oxford)“ nicht nach einem großen Weltwunder anhören. Und hier würde den meisten Spielern wohl auch der Bezug fehlen. Die meisten Spielern dürften mit dem Mausoleum immerhin auch noch jenes in Halikarnassos identifizieren. Aber ob ein Großteil bei dem Opernhaus gleich an Sydney denkt, wage ich doch zu bezweifeln. Insofern braucht das Spiel diese Ortsbezeichnungen und kann nicht, wie bei den antiken Vorbildern, ganz darauf verzichten. Interessanterweise basierten die Weltwunder bis Civilization III nicht nur auf Orten, sondern waren auch mit Personen verbunden: Adam Smiths Handelsgesellschaft oder Michelangelos Kapelle schafften ebenfalls eine direkte Assoziation damit, welche „Handelsgesellschaft“ oder welche „Kapelle“ hier gemeint sein soll. Wobei man hier auch berücksichtigen muss, dass mit Michelangelos Kapelle wohl die sixtinische Kapelle gemeint sein soll, in welcher Michelangelo seine berühmten Fresken gemalt hat. „Ihm gehört“ hat die Kapelle aber zu keiner Zeit. Bis zum dritten Teil wollte man aber wohl auch berühmte Personen mit den Weltwundern ehren, was aus dem vierten Teil radikal gestrichen wurde.

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Auch heute noch sehenswert: Michelangelos Fresken in der sixtinischen Kapelle

Ein einzigartiger Preis

Warum baut man nun mehrere Runden so ein einzigartiges Gebäude? Sicherlich nicht nur, weil man gerne das schicke Fertigstellungsvideo oder -bild sehen möchte. Nein, der wahre Grund sind natürlich die Boni, die mit dem Abschließen einhergehen. Und diese Boni kommen alleine demjenigen zu Gute, welcher das Weltwunder fertiggestellt hat. Ein sehr interessantes Spielkonzept, da es den Bau von Weltwundern zu einem spannenden Wettlauf macht, welchen es bei den meisten Weltwundern in echt nicht gab, welcher aber dafür spielerisch unglaublich gut umgesetzt ist. Denn die Weltwunder werden so zu sehr strategischen Komponenten für die Spielstrategie, die man spielen möchte. Dabei lassen sich die meisten Weltwunder auch einer Siegbedingungen klar zuordnen: Wer in Civilization 6 einen Religionssieg erreichen möchte, sollte z.B. die Hagia Sophia (Missionare und Apostel können Religion 1-mal zusätzlich verbreiten.) oder Stonehenge (Gewährt sofort einen kostenlosen Großen Propheten.) bauen. Der Kultursieg dagegen lädt zum Bau von Cristo Redentor (erhöhte Tourismusproduktion) oder vom Opernhaus von Sydney (zusätzliche Kultur und Große Musikstücke-Plätze) ein. In diese Kategorie ordnen sich die meisten Weltwunder ein, einige bringen aber auch Boni, die relativ flexibel an jeden Spielstil angepasst werden können. So liefert die Petra für alle Wüstenfelder einer Stadt zusätzliche Nahrung, Gold und Produktion, ohne dabei eine bestimmte Strategie besonders zu unterstützen. Auch Serienteilübergreifend ändert sich wenig an der generellen Richtung der Boni: Die große Bibliothek z.B. fördert in jedem Teil die Forschung, sei es durch kostenlose Technologien oder durch einen Forschungsbonus. An ihr kann man auch die Interpretation der Entwickler gut beschreiben: Die Bibliothek von Alexandria war in der Antike ein Ort mit einer gewaltigen Ansammlung an Literatur, sowohl wissenschaftlicher, als auch schriftstellerischer. Zahlreiche Gelehrte hielten sich dort auf, sodass sich mit der Alexandrinischen Schule ein eigene wissenschaftliche Sammelbewegung bildete. Auf das Spiel übertragen zeigt sich dies in den Forschungsboni: Der Spieler erkennt, dass die große Bibliothek eine große Rolle für die wissenschaftliche Forschung in der Antike darstellte.

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Ein Hort des Wissens: Die große Bibliothek in Civilization 6


Doch nicht bei allen Weltwundern ist eine so klare Zuordnung möglich: Beim Stonehenge z.B. ist man sich nicht sicher, ob es als astronomisches Observatorium oder als religiöse Kultstätte genutzt wurde. Die Serie greift beide Möglichkeiten auf: In Civilization 4 bringt der Bau jeder Stadt ein kostenloses Monument und zentriert die Karte → Stonehenge als Observatorium. In Civilization 5 und 6 sorgt das Stonehenge für zusätzliche Religion (5) oder bringt einen großen Propheten hervor (6) → Stonehenge als religiöse Stätte. Diese Anpassung hat aber auch spielerische Gründe, da der Religion in Civilization 5 und 6 ein größerer Spielraum eingeräumt wird, als im vierten Teil. Dementsprechend konnte man hier bequem von einer Theorie zur anderen wechseln, um einen spielerischen Mehrwert zu erschaffen, ohne die Thesen der vermutlichen Bedeutung des Stonehenge zu ignorieren. Praktisch! Einen ähnlichen Wandel erlebte auch die Hagia Sophia: In Civilization 4 brachte sie einen großen Ingenieur hervor und zusätzliche Baugeschwindigkeit für Bautrupps. Der Fokus lag auf der Hagia Sophia als architektonische Meisterleistung. In den nachfolgenden Teilen bringt sie religiöse Vorteile, wodurch der Fokus auf ihre Rolle als religiöse Stätte wechselt.

Civilization 4 und 5 hatten neben den klassischen Weltwundern noch sogenannte „nationale Wunder“, welche jede Nation für sich bauen konnte. Sie konnten nur einmal gebaut werden, aber das Wettrennen mit den anderen Nationen entfiel hier. Allerdings haben alle einen einheitlichen Namen: Jede Nation hat z.B. sein eigenes Nationalepos in Civilization 5. Was hier Sinn macht, wirkt bei anderen nationalen Wundern wieder merkwürdig: Die Universität von Oxford ist ebenfalls ein nationales Wunder, also kann es in einem Spiel durchaus mehrere Universitäten von Oxford geben. In unterschiedlichen Nationen. Ein weiteres Beispiel ist der Mount Rushmore als nationales Wunder in Civilization 4. Hier hat dann scheinbar jede Nation ihre eigenen Köpfe eingemeißelt. Wobei man sich fragen sollte: Welche anderen Köpfe? Im Endeffekt regiert doch nur ein Herrscher von Anfang bis Ende…

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Felsenfest: Die 4 Präsidentenköpfe im Mount Rushmore. Fun Fact: 3 der 4 Köpfe fanden bereits ihren Weg in die Civilization-Serie!

Fazit

Die Weltwunder in der Civilization-Serie gehören mittlerweile zu den wichtigsten Spielelementen und haben seit 1991 einige Wandlungen durchlebt. Wie auch bei den Herrschern oder Nationen lautet das Motto hier „Vielfalt ist Trumpf“ und die Serie versucht immer, neue und unterschiedliche Wunder in das Spiel zu bringen, um auch ein wenig lehrend die kulturelle Vielfalt der Menschheitsgeschichte aufzuzeigen. Dabei orientiert man sich stark daran, was heutzutage auch als „kulturelles Erbe der Menschheitsgeschichte“ angesehen wird. Sei es durch bestimmte Weltwunderlisten oder durch die UNESCO. Auch wenn das Prüfen hier durch andere Quellen etwas erleichtert wird, so bleibt den Entwicklern doch noch die knifflige Aufgabe, die Wunder richtig in das Spiel einzuarbeiten. Meistens orientiert man sich an den offensichtlichen Assoziationen (Bibliothek = Wissenschaft, Leuchtturm = Seefahrt) und schmückt so serienübergreifend unterschiedliche Boni um die Wunder herum. Teilweise wird sich auch auf diese Assoziation verlassen, vor allem, wenn es um den Namen geht. So werden aus den Hängenden Gärten von Babylon einfach nur die „Hängenden Gärten“, weil man wohl davon ausgeht, dass die meisten Spieler auch so etwas mit dem Begriff anfangen können. Andersherum ist die Namensangabe beim Opernhaus von Sydney wohl nötig, um den heutigen Standort hervorzuheben. Und um einfach nur „Das Opernhaus“ als Weltwunder zu präsentieren. Das wäre nun wirklich kein so großartig klingender Name. Auch hat sich die Serie im Laufe ihrer Geschichte davon verabschiedet, namensgebundene Weltwunder beizubehalten: Johann Sebastian Bach muss sich jetzt damit begnügen, als große Persönlichkeit aufzutauchen. Auch verschwanden Meilensteine (z.B. das Frauenwahlrecht) als „baubares“ Weltwunder zugunsten von „richtigen“ Bauwerken im Laufe der Serie.

Weltwunder waren, sind und werden sicherlich ein bedeutender Teil der Civilization-Serie bleiben. So oft wir uns darüber geärgert haben, eines der begehrten Gebäude nicht bekommen zu haben, so sehr hat uns der erlösende Moment zum Jubeln gebracht, als das Weltwunder nun in unserem Reich stand und dessen Boni nun endlich genutzt werden konnten. Wie schon bei den Nationen oder den Anführern können wir uns auch hier fragen, was denn nun noch kommen wird? Möglichkeiten gibt es bereits viele und es entstehen immer weitere. Auch thematisch öffnet sich das Spiel immer weiter, so wäre es wohl im ersten Teil noch undenkbar gewesen, ein Fußballstadion neben großem Leuchtturm oder den Pyramiden zu haben. Heute haben wir das Maracanã in Civilization 6! Aber was auch immer die Entwickler für kommende Teile auswählen werden, eine Sache bleibt gewiss: Nur der schnellste kriegt den Zuschlag!

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54, 74, 90, 2014: Hier holte Deutschland seinen 4. WM-Titel: Das Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro!

6 Gedanken zu “Wunder gibt es immer wieder! – Ein Blick auf die Weltwunder der Civilization-Serie

  1. Schöner Artikel. Musste am Anfang mehrfach schmunzeln. Genau das habe ich mir auch schon öfter gedacht, als kurz vor Fertigstellung des Wunders einfach alles wieder abgerissen wird 🙂

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  2. Erstmal muss jeder mit Lob übergossen werden, der schöne Texte über die Civilization-Reihe schreibt 😉

    Kleine Anmerkung zu den antiken Weltwundern: Wie Du schon sagst, gabe es mehrere Listen in der Antike. Dabei mussten es auch nicht immer 7 Weltwunder sein, sondern es gab auch Listen mit – ich meine – 5 oder 6 Bauwerken. Kai Brodersen hat da mal einen Vortrag drüber gehalten. Muss ich noch einmal nachlesen.

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    1. Haha, vielen Dank. Freue mich immer, wenn man Leute trifft, die sich auch über das Spiel hinaus interessieren 🙂

      Diese anderen Listen klingen spannend, da ich bis auf die „bekannten“ Listen kaum etwas gefunden habe.

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      1. Hi, habe gerade noch einmal nachgeschaut. Die Listen findest Du hier:

        Kai Brodersen: „Reiseführer zu den Sieben Weltwundern. Philon von Byzanz und andere antike Texte.“ (Insel-TB 1392) Frankfurt/Main, Leipzig 1992.

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